© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/07 12. Oktober 2007

Kolumne
Feindliche Brüder
Klaus Hornung

Die sogenannte "Bewältigung der Vergangenheit" der beiden totalitären Diktaturen auf deutschem Boden im 20. Jahrhundert war seit 1945 einseitig und ungleichgewichtig. Die Wirkung der einen, ihrer Verbrechen und ihrer Katastrophe, ist für die Deutschen traumatisch geblieben, entsprechend hilflos ist ihre "Bewältigung". Die andere Diktatur von 1946 bis 1989 stand im Schatten der ersteren und erklärte sich zu deren "antifaschistischem" Gegenbild - mit nachwirkendem Erfolg bis heute. Viele folgen wohl dem Wendepfarrer Rainer Eppelmann, der meinte, die DDR-Diktatur habe ja nur die "Aktenberge" der Stasi, aber keine Leichenberge wie Auschwitz hinterlassen.

Das war und ist eine griffige Kurzformel des Problems, die die Meinungsführer in Deutschland in Politik und Medien nur zu gerne weiterreichen. Sie haben daher die Vergleichbarkeiten und Ähnlichkeiten der beiden Diktaturen stets vehement abgelehnt. Hier rangiert der politische Nutzwert des "Antifaschismus" stets vor der historischen Wahrheit, daß es sich um die "feindlichen Brüder" der Epoche handelte, um "uneingestandene Wesensverwandtschaft" und "konfliktgeladene Komplizenschaft" (François Furet).

Im Zusammenbruch der DDR und dann des Sowjetkommunismus vor 18 Jahren schien sich diese Einsicht Bahn zu brechen. Doch den Meinungsbildnern ist es bis heute weitgehend gelungen, die geschichtliche Wahrheit den "Massen" vorzuenthalten und die antifaschistische Interpretation als die alleinige Wahrheit zu indoktrinieren.

Aber Wahrheit läßt sich auf die Dauer nicht niederknüppeln und verheimlichen. Zu dieser Einsicht kam auch die ARD mit ihrem Programm zum Tag der Deutschen Einheit, unter anderem mit dem zweiteiligen Film "Die Frau vom Checkpoint Charlie" und dann auch in der Anne-Will-Sendung. Beide Sendungen ließen keinen Zweifel an der Unmenschlichkeit, dem physischen und psychischen Terror des SED-Systems und seiner Stasi.

Es ist nicht abwegig, wenn der junge Juraprofessor Arnd Diringer bei der jüngsten Jahresversammlung des Studienzentrums Weikersheim das Verbot der Linkspartei durch das Bundesverfassungsgericht forderte, jener Partei, "die für 40 Jahre Diktatur" verantwortlich ist. Auch im Kampf um die historische Wahrheit gilt Max Webers Wort vom "geduldigen Bohren dicker Bretter mit Leidenschaft und Augenmaß", aber auch das Bibelwort, daß die Wahrheit frei machen werde - zumal die Deutschen.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung lehrte Politikwissenschaften an der Universität Hohenheim.


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