© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/07 12. Oktober 2007

Heimo Schwilk
In Jüngers Haut
von Alexander Pschera

In diesem Herbst erscheinen gleich zwei umfangreiche Ernst-Jünger-Biographien. Die eine stammt von dem Heidelberger Germanisten Helmuth Kiesel (siehe Seite 26), die andere war über ein Jahrzehnt kaum mehr als ein Gerücht, wurde vor Jahren im Piper-Verlag bereits angekündigt, schlummerte dann im Bewußtsein der Jünger-Gemeinde und ist jetzt tatsächlich da.

Ihr Autor Heimo Schwilk, Chefkorrespondent der Welt am Sonntag und dort verantwortlich für kirchliche Themen, ist einer jener Autoren, an denen sich immer wieder die mediale Rede von der "rechten Intelligenz" entzündete: 1994 veröffentlichte er gemeinsam mit seinem Kollegen, dem Schriftsteller Ulrich Schacht, den Sammelband "Die selbstbewußte Na­tion", der Botho Strauß' bis dahin nur im Spiegel erschienenen Essay "Anschwellender Bocksgesang" enthielt und für eine breite Diskussion sorgte. 1997 ließen die beiden dann den Debattenband "Für eine Berliner Republik" folgen.

Doch viele werden den 1952 in Stuttgart geborenen Schwilk weniger als politischen Journalisten denn als Jünger-Biographen kennen. Denn kaum einer seiner Generation folgte so konsequent dem Pfad des Jüngerschen Lebens - das ging bis zum Selbstexperiment: Schwilk zog 1991 als Reporter in den Golfkrieg, mit Jünger im Gepäck. Als einziger deutscher Berichterstatter schlug sich der ehemalige Fallschirmjäger und Hauptmann der Reserve - alleine und illegal - an die Front durch. 1994 erhielt er für seine Reportage "Was man uns verschwieg - Der Golfkrieg in der Zensur" den renommierten Theodor-Wolff-Preis.

Diese Unmittelbarkeit der Anschauung zeichnet Schwilks Zugang aus: Seit den achtziger Jahren war er persönlich mit Jünger befreundet; außerdem genießt er das Vertrauen der Witwe Liselotte Jünger. 1988 veröffentlichte er den Bildband "Ernst Jünger. Leben und Werk in Bildern und Texten", an dem kein ernstmeinender Jünger-Leser vorbeikommt. Er betreute die wichtigen, fein komponierten Jünger-Festschriften "Das Echo der Bilder" (1990) und "Magie der Heiterkeit" (1995), schrieb einen bleibenden Essay über Jüngers Konversion zum Katholizismus und überraschte 1999 die Öffentlichkeit mit Funksignalen aus dem Jünger-Nachlaß, in dem er vier Briefe Hitlers an Jünger aufstöberte. Die Zeit kürte ihn damals kurzerhand zum "Chef­apologeten des Jahrhundertdichters" und vermutete eine Propagandaaktion für seine in Arbeit befindliche Biographie.

Jetzt ist sie also da: "Ernst Jünger. Ein Jahrhundertleben" (eine ausführliche Besprechung folgt demnächst in dieser Zeitung). Mit Fug und Recht kann man behaupten, daß damit die Biographie über den Dichter erschienen ist. Denn Schwilk doziert nicht, er erzählt. Er seziert nicht akademisch, sondern schlüpft gleichsam in Jüngers Haut. Er verliert sich nicht in Abstraktionen, sondern malt detailreich konkrete Situationen aus. Damit gelingt dem Buch ein Doppeltes: Dem erfahrenen Jünger-Leser eröffnet es eine Vielzahl neuer Perspektiven, dem Novizen erschließt es das Jahrhundert-Faszinosum Jünger.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen