© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/07 12. Oktober 2007

Sieger sehen anders aus
Pakistan: Präsident Pervez Musharraf stehen trotz Wiederwahl weiterhin schwierige Zeiten bevor / Baldige Rückkehr Bhuttos fraglich
Shams Ul-Haq

Die seit 1999 herrschende Militärregierung von Pakistan steht vor einem scheinbar unlösbaren Dilemma. Der 1956 ausgerufenen ersten Islamischen Republik der Welt droht eine Revolte, wenn die Führung des Landes weiter mit den USA zusammenarbeitet. Verweigert sie sich hingegen den Wünschen Washingtons und beugt sich dem Druck islamischer Parteien, wird das Weiße Haus Pakistan auf die Liste der den "Terrorismus unterstützenden Staaten" setzen, wo beispielsweise auch Afghanistan zu finden ist.

Schwieriger Drahtseilakt

Doch die Verurteilung der Atommacht Pakistan (seit 1998) als "Schurkenstaat" würde fatale Folgen mit sich bringen: Das ehrgeizige wirtschaftliche Reformprogramm, das die Militärs zusammen mit der Weltbankgruppe zielstrebig verfolgen, müßten sie sofort beenden - und dies hätte die Streichung aller internationalen Kredite zur Folge. Die Armee verlöre dabei auch den Ruf, die durchsetzungsfähige Kraft zu sein, die das übergeordnete nationale Interesse aus dem ideologischen Streit heraushält und ein wenig Ordnung in das Chaos der zivilen Politiker bringt.

Zudem würden sich viele islamische Gruppen endgültig radikalisieren, falls Pakistan auf die "schwarze Liste" geraten sollte. Eine von dem Bann getroffene Militärregierung könnte die gewaltbereiten Islamisten nicht mehr in Schach halten. General und Staatschef Pervez Musharraf sind diese Risiken bewußt, weswegen er Washington seine Kooperation angeboten hat. Ungewiß bleibt, ob ihm der schwierige Drahtseilakt gelingen wird. Musharraf versucht deshalb fieberhaft, ein nationales Bündnis für seine Politik gegenüber den radikal-islamischen afghanischen Taliban zu schmieden.

Die große Frage ist, ob Musharraf damit Erfolg haben wird, da er selbst in großen Schwierigkeiten steckt. Vor einigen Wochen hat der frühere Armeegeneralstabschef angekündigt, noch vor seiner erneuten Vereidigung zum Präsidenten seine Uniform abzulegen. Am 6. Oktober wurde Musharraf im Parlament mit 252 der 257 abgegebenen Stimmen im Amt bestätigt. Allerdings hatte fast ein Drittel der Abgeordneten aus Protest gegen seine Kandidatur ihre Mandate niedergelegt. Auf Antrag der Opposition muß das Oberste Gericht nun entscheiden, ob die Wahl überhaupt rechtens war. Das Urteil wird für den 17. Oktober erwartet.

Ebenso überraschend war, daß die Partei der früheren Ministerpräsidentin Benazir Bhutto sich in letzter Minute entschieden hat, nicht abzustimmen. Denn einen Tag vor der Wahl hatte Musharraf ein Dokument unterzeichnet, in dem alle Korruptionsvorwürfe gegen Bhutto fallengelassen werden. Er wollte damit erreichen, daß ihre Volkspartei (PPP) an der Wahl teilnimmt. Ohne die PPP hat so nur Musharrafs eigene Partei, die Muslim-Liga (PML-Q), abgestimmt. Der Parlamentspräsident Chaudhry Amir Hussain erklärte, daß die Wahl verfassungsgemäß ist. Fraglich ist nun, ob Benazir Bhutto aus dem Exil zurückkehren und ob Musharraf von seinem Amt als Oberbefehlshaber zurücktreten wird. Er hat angekündigt, Armeechef bleiben zu wollen, falls er als Staatspräsident nicht bestätigt wird.

In den letzten Monaten hat Musharraf dramatisch an Beliebtheit eingebüßt. Das Oberste Gericht hat kürzlich über die letzte von insgesamt zehn Petitionen entschieden, die Musharraf in seiner aktiven Zeit als Armeechef die Präsidentschaftskandidatur verbieten lassen sollten. Mit einer Mehrheit von sechs zu drei Stimmen wurde die Petition von den Richtern abgelehnt.

Wankendes Bollwerk gegen die Islamisten

Die kommenden Monate sind entscheidend für Musharraf. 2008 stehen die Parlamentswahlen an, bisher gibt es aber noch keinen Termin. Musharraf und Ex-Regierungschefin Bhutto verhandeln seit einiger Zeit über eine mögliche Koalition, da es nicht sicher ist, ob Musharrafs Muslim-Liga allein imstande ist, die Wahlen zu gewinnen. Aber Bhutto stellt an Musharraf harte Forderungen, um eine gemeinsame Koalition zu ermöglichen: Er soll als Oberbefehlshaber des Militärs zurücktreten, darf aber Präsident bleiben. Die Gerichtsprozesse gegen Bhutto und ihren Ehemann sollen gestoppt werden. In diesem Fall werde Bhutto am 18. Oktober 2007 aus dem Exil zurückkehren. Anschließend solle sie zur Premierministerin gewählt werden. Außerdem will sie die Todesstrafe in Pakistan abschaffen.

Was passiert aber, wenn sich Musharraf querstellt und die nächsten Wahlen manipuliert oder gar streicht? Die Szenarien sind dramatisch: Das Pulverfaß Pakistan könnte explodieren. Die Islamisten würden davon wahrscheinlich profitieren, vielleicht würde sich auch ein neuer General an die Macht putschen - womöglich ein antiamerikanischer. Musharraf braucht enorme Kräfte, wenn er durchhalten will. Eine große Koalition würde die Regierung und die säkularen Parteien jedenfalls stärken - als Bollwerk gegen die Islamisten. Die haben ohnehin schon wachsenden Einfluß im Land: Die Regierung duldet Tausende Koranschulen, in denen offen zu Haß und Terror aufgerufen wird.


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