© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/07 12. Oktober 2007

Religion muß irreal sein
Dawkins' Gegenangriffe
Holger von Dobeneck

In immer wiederkehrenden Intervallen erlebt Amerika einen heftigen Kulturkampf zwischen den auf das Grundparadigma der Evolution festgelegten Wissenschaften und dem evangelikalen Bible Belt, dessen Erweckungsprediger in Sonntagsschulen ein kreationistisches Weltbild predigen, nach dem die Welt in sieben Tagen geschaffen wurde, die Erde wenige tausend Jahre alt sei und die Evolutionslehre als gottloses Hirngespinst verleugnet wird.

Aufsehen erregen - praktisch als provozierter Gegenentwurf -zur Zeit die sogenannten Neuen Atheisten wie Sam Harris, Daniel Dennett und vor allem der Brite Richard Dawkins. Dieser verfaßte sozusagen eine atheistische Bibel von 560 Seiten, die letztlich jegliche Religion für eine kollektive Wahnvorstellung hält, geschrieben in vorindustrieller Zeit von abergläubischen Patriarchen, deren Vorstellungen nicht mehr in unsere Zeit passen. Ähnlich wie Dawkins ist auch sein 1981 in die USA emigrierter Landsmann Christopher Hitchens der Ansicht, Religion vergifte unsere Welt: Ohne die alten Texte gäbe es keine Religionskriege, keine Steinigungen, keine Enthauptungen, keine Inquisitionen und keine Völkermorde.

Die Kreationisten behaupten stets - selbst in ihrer neuesten, als "intelligentes Design" wissenschaftlich verbrämten Version -, daß eine Welt ohne Schöpfer so unwahrscheinlich sei wie ein Wirbelwind, der aus einem Schrotthaufen eine Boeing schüfe. Dawkins verficht als Evolutionsbiologe vehement das Konzept seiner Profession, das er für das bestbelegte Paradigma der Wissenschaften hält. Der Glaube an eine übernatürliche Macht kann demnach keine Grundlage für das Verständnis der Welt sein und schon gar keine Erklärung für ihre Entstehung. Seiner Ansicht nach kann Selektion das Problem der Unwahrscheinlichkeit lösen. Der Kreationist geht am Wesentlichen vorbei, weil er das Unwahrscheinliche als ein einziges Ja/Nein-Ereignis begreift und die Leistung allmählicher Akkumulation übersieht.

Als Schlußfolgerung dieses Gedankenmodells glaubt Dawkins in der Religion per se ein Regelwerk der Gruppenmoral zu erkennen, das dem gemeinen Mann als wahr, dem Weisen als falsch und dem Herrscher als nützlich erscheint.


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