© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/07 19. Oktober 2007

"Erledigt mit unlauteren Mitteln"
War die "Nazi-Falle" für Eva Herman lange zuvor gestellt? Was sie wirklich gesagt hat, spielte dabei keine Rolle
Moritz Schwarz

Herr Teuwsen, Sie haben als einer der ersten Journalisten im Fall Eva Herman von einer "öffentlichen Hinrichtung" gesprochen.

Teuwsen: Ja, denn es gibt die Tendenz, vor allem in Deutschland, Menschen mit einer Meinung, die neben dem Mainstream liegt, mit unlauteren Mitteln aus dem Meinungswettbewerb auszuschließen.

Was meinen Sie mit "unlauteren Mitteln"?

Teuwsen: Man geht gar nicht auf die Inhalte ein, sondern verbeißt sich in Fragen der Form, des Stils: Hat Herman vielleicht den Anschein erweckt, sie habe sich eventuell zur Familienpolitik der Nazis mißverständlich geäußert oder nicht? - Was will man denn damit ausdrücken? Daß sie ein Nazi ist? Wer das meint, soll es klar sagen - alle anderen sollten zur Sachdebatte zurückkehren.

Sie haben bereits vor ihrem Rauswurf bei Kerner in der "Weltwoche" festgestellt, die Reaktionen auf Frau Herman seien so heftig, "daß die Gründe tiefer liegen müssen als ein paar holprige Bemerkungen zur Wertschätzung der Mutter im Dritten Reich". Was vermuten Sie?

Teuwsen: In Deutschland ist die Familienministerin auf dem Weg zu einem Kinderbetreuungsmodell, von dem man sich zum Beispiel in den nordischen Ländern zu entfernen beginnt. Und das nicht ohne Grund. Frau Herman ist deshalb eine notwendige Gegenstimme gegen die Regierungspolitik, die zudem viel Beifall von medialer Seite bekommt - sie ist also sozusagen ein Teil der Opposition. Oppositionelle Stimmen zu diesem Thema möchte man in Deutschland aber offenbar verhindern. Das finde ich nicht nur in der Sache falsch, sondern auch angesichts der Tatsache, daß Frau Herman viel Zustimmung aus der Bevölkerung erfährt. Das heißt doch, das Thema bewegt die Leute. Und trotzdem will man nicht darauf eingehen? Ich dachte immer, die Medien müßte interessieren, was die Menschen interessiert.

Sie haben außerdem geschrieben, Frau Herman sei "in die Nazi-Falle getappt, die man ihr schon lange bereitet hatte".

Teuwsen: Diejenigen, die jetzt am lautesten empört "Haltet den Nazi!" schreien, haben doch am kräftigsten darauf gehofft, daß Frau Herman früher oder später entsprechend Skandalisierbares sagen würde. Es gab schon 2006 eine Reihe von Beiträgen und Äußerungen - allen voran die von Alice Schwarzer und Thea Dorn -, die versucht haben, Herman in die braune Ecke zu stellen. Man hat ihr also diese Falle gestellt, und nun endlich war sie unvorsichtig genug, sich darin zu verfangen.

Der "Stern" hat Sie für diese Deutung "absurder Verschwörungstheorien" bezichtigt.

Teuwsen: Die Fakten liegen auf dem Tisch: Diese Artikel gab es. Und die Freude - verzeihen Sie - ... die Empörung, die gewisse Herrschaften nun empfinden, ist doch offensichtlich. Ich glaube nicht, daß ich mir da etwas einbilde.

Diverse Medien haben die Kerner-Sendung inzwischen verurteilt (siehe Kasten unten). Welche Rolle spielte sie in der Kampagne gegen Herman?

Teuwsen: Auf jeden Fall war es kein Versuch, mehr über Frau Herman oder die Debatte herauszufinden - tatsächlich sollte da jemand vorgeführt werden. Aber bei allem, was man Herrn Kerner sonst noch vorwerfen kann, ich würde betonen, daß sein Vorgehen vor allem deshalb nicht journalistisch war, weil es nicht von Neugier geleitet wurde.

Im Interview mit Ihnen hat Eva Herman gesagt: "Wenn ich über Glaube, Mutterglück und den Fortbestand unseres Volkes spreche, beschimpft man mich." Sind vielleicht dies die eigentlichen Gründe: Die Reizworte "Glaube", "Mutterglück" und vor allem "unser Volk"?

Teuwsen: Nun, ein Unschuldslamm ist Frau Herman auch nicht. Sie benutzt solche Vokabeln bewußt, wissend, daß sie in Deutschland nicht wertfrei gelesen werden. Ginge es ihr nur um die Sache, hätte sie das nicht nötig. Aber der Grund für die unglaubliche Emotion, die sie weckt, ist ein anderer: Wir erleben einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel in Sachen Ehe, Geschlechter und Familie, der erst wenige Jahre, höchstens Jahrzehnte alt ist. Das führt natürlich zu Befindlichkeiten, so daß jemand wie Eva Herman mit ihrer Kritik - die zugegeben mitunter grob vereinfachend formuliert ist - einen schmerzhaften Stachel darstellt.

Was meinen Sie?

Teuwsen: Ich glaube, es geht in Wirklichkeit gar nicht um Frau Herman, sie ist nur eine Projektionsfläche für die Wut, die aus unserer eigenen Verunsicherung geboren ist, weil immer wieder unsere Lebensentwürfe in Frage gestellt werden. Das ist aber das Unsouveränste, was man machen kann: Den eigenen Lebensentwurf mit dem Anspruch zu rechtfertigen, daß er eine objektive Wahrheit darstellt.

Provoziert Eva Herman nicht auch deshalb, weil sie die Hegemonie eines bestimmten Gesellschaftsbildes - und die der Eliten, die darüber ihren Einfluß sichern - in Frage stellt?

Teuwsen: So weit würde ich nicht gehen. Vielmehr spielt hier ein typisch deutscher Reflex mit herein: Wenn es um das Dritte Reich geht, dann explodiert bei Ihnen in Deutschland immer gleich jede Debatte. Man fragt sich aus Schweizer Sicht: Warum? Was ist nur los mit den Deutschen? Ist die Zivilisationsdecke bei Ihnen noch so dünn? Es berührt eben das Trauma der Deutschen, den Nationalsozialismus, und wer scheinbar daran rührt, auf den wird die Nazi-Keule geschwungen. Das ist schlimm, aber die Geschichte läßt sich eben auch nicht so mir nichts, dir nichts bewältigen.

Daraus folgt?

Teuwsen: Natürlich deformiert dieser Reflex die Debatten in Deutschland, und er wird auch immer wieder kommerziell ausgenützt oder gebraucht, um Verhinderungspolitik zu betreiben. Das ist inakzeptabel. Wie hieß es bei Kerner: "Hier fallen Worte, die nicht fallen dürfen." - Na ja, eine freie und souveräne Debatte klingt anders.

Sie üben auch Kritik am Inhalt der Hermanschen Bücher. Warum verteidigen Sie sie dennoch?

Teuwsen: Darf man das Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigen, ohne gleich die Inhalte und Thesen des Verteidigten zu teilen? Um das ging es mir im Fall Herman, und das ist genau das Problem in Deutschland: Wer nicht klar verurteilt, wird zum Mittäter. Dieser Reflex verhindert viel Sachlichkeit. Moritz Schwarz

 

Peer Teuwsen ist Kulturchef des renommierten Schweizer Wochenmagazins Die Weltwoche. Als nach Eva Hermans angeblichem NS-Lob die Wellen hochschlugen, sprach Teuwsen in der Weltwoche als einer der ersten deutschsprachigen Journalisten von "öffentlicher Hinrichtung" und einer ausgelegten "Nazi-Falle". Teuwsen wurde 1967 in Hachenburg im Westerwald geboren und war vor seinem Wechsel zur Weltwoche Vize-Chefredakteur des Schweizer Wochenblatts Das Magazin.

"Die Weltwoche": Neben Das Magazin die führende Wochenpublikation der Schweiz. 1933 gegründet, vertritt sie einen freiheitlich-liberalen Kurs. Chefredakteur ist Roger Köppel, der bis 2006 Springers Welt leitete.

 

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