© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/07 19. Oktober 2007

"Kontraproduktiv für die Integration"
Berlin: Nachdem der islamische Verein Inssan mit dem Versuch gescheitert ist, im Stadtteil Neukölln eine Moschee zu errichten, versucht er es in Charlottenburg
Anni Mursula

In dem gutbürgerlichen Stadtteil Berlin-Charlottenburg steht unweit des Mierendorffplatzes ein großes altes Backsteingebäude. Die heruntergekommene Fabrikhalle, die sich über einen ganzen Wohnblock erstreckt, steht seit langem zum großen Teil leer. Nun will der muslimische Verein Inssan neues Leben in das Gebäude in der Keplerstraße bringen: Laut dem Vorsitzenden Imran Sagir befinde man sich in Verhandlungen mit dem Besitzer, und dem Kauf stehe nicht mehr viel entgegen. Inssan hoffe, baldmöglichst in die insgesamt 4.800 Quadratmeter großen Räumlichkeiten einziehen zu können, um einen Veranstaltungsraum, eine Bibliothek und einen Jugendclub einzurichten. Ab 2009 sollen drei Neubauten im Hinterhof entstehen - darunter eine größere Moschee, die etwa 700 Gläubigen Platz bieten soll. Es wäre die erste Moschee in Charlottenburg, die als solche deutlich zu erkennen wäre.

Um einen solchen repräsentativen Bau zu verhindern, verteilen nun sowohl pro Deutschland - ein Ableger der Bürgerbewegung pro Köln - als auch die Deutsche Partei Flugblätter an die Anwohner. Zudem sammeln beide Initiativen Unterschriften gegen den Bau der Moschee - bislang unabhängig voneinander. Doch Manfred Rouhs, Geschäftsführer der pro-Köln-Fraktion im Kölner Stadtrat, sieht keine Konkurrenz und kann sich durchaus eine Zusammenarbeit vorstellen: "Wir werden mit der Deutschen Partei reden. Daß auch sie sich gegen den Moscheebau engagieren, schadet der Sache nicht", sagte Rouhs der JF.

Aber auch eine doppelte Petition gegen eine Baugenehmigung würde laut dem verantwortlichen Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) in der derzeitigen Rechtslage wenig bringen. Er sieht keinen Grund, warum er den Bauantrag von Inssan ablehnen sollte: Baurechtlich gebe es keine Einwände - das Gelände liege schließlich im Gewerbegebiet. Aber auch sonst sehe er keine Probleme.

Inssan hat sich nie offiziell distanziert

Bei Inssan handle es sich um eine Organisation, "bei der man nicht befürchten muß, daß es einen extremistischen Hintergrund gibt", sagte Gröhler in einem Zeitungsinterview. Er hat für das Projekt bereits grünes Licht gegeben. "Deshalb rechnen wir mit einer Genehmigung. Es handelt sich nur noch um Tage, bis die Baugenehmigung erteilt wird", sagte der Inssan-Vorsitzende Sagir am Dienstag der JF.

Einige Kilometer von Charlottenburg entfernt, in Neukölln, sah man den Bau einer Inssan-Moschee allerdings völlig anders. Ursprünglich plante der Verein dort den Bau eines 8.000 Quadratmeter großen "Kulturhauses" mit Konferenz- und Seminarräumen, einer Schule sowie einer Moschee mit Kuppel und Minarett. Doch im Gegensatz zu Gröhler setzte sich seine Parteikollegin und frühere Baustadträtin von Neukölln Stefanie Vogelsang vehement gegen das Vorhaben von Inssan ein. Nach jahrelangem Streit stoppte schließlich im Juni das zuständige Verwaltungsgericht das Bauvorhaben. Nach Ansicht der Richter wäre eine Einrichtung dieses Ausmaßes zu groß für ein Wohngebiet (JF 25/07).

Doch Vogelsang machte nie ein Geheimnis daraus, daß sie nicht nur aus baurechtlichen Gründen gegen das Projekt war. Während Gröhler Inssan als integrationsfördernd ansieht, warf sie dem Verein sogar vor, "kontraproduktiv für die Integration im Bezirk zu sein".

Gröhlers positive Meinung über Inssan gründet auf den Aktivitäten des Vereins, zu denen Kampagnen gegen Zwangsheirat und interreligiöse Seminare zwischen Moslems, Christen und Juden zählen. Zudem betone Inssan selbst, daß man sich für Toleranz, Pluralismus, Demokratie und Respekt vor Grundgesetz einsetze. "Inssan ist einer der westlichsten muslimischen Vereine in der Stadt", sagte Gröhler dem Tagesspiegel. "Die Veranstaltungen sind zum Beispiel alle auf deutsch." Doch Vogelsang glaubte der Selbstdarstellung von Inssan nicht ohne weiteres. Mißtrauisch machte sie vor allem, daß der Verein nachweislich Kontakte zur Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD) und zu deren Präsidenten Ibrahim El-Zayat habe. Schließlich war es El-Zayat, der 2002 das 360.000 Euro teure Baugrundstück in Neukölln für Inssan kaufte. Ein Verein, der lediglich vierzig hauptsächlich studentische Mitglieder hat, hätte diesen Betrag kaum selbst bezahlen können.

Die IDG ist eine der ältesten islamischen Institutionen in Deutschland, und ihre Gründung geht über mehrere Organisationen auf die radikal-islamistische Muslimbruderschaft zurück. El-Zayat gilt laut Bundesverfassungsschutzbericht 2006 als deutscher Verbindungsmann zu dieser ägyptischen Organisation. Doch obwohl diese Verbindung nachweislich besteht, hat sich Inssan weder von El-Zayat noch der Muslimbruderschaft offiziell distanziert.

Im Gegenteil: Den Kauf des Grundstücks in Charlottenburg will Inssan nach eigenen Angaben zu einem Drittel aus in Deutschland gesammelten Spenden finanzieren. Für den Rest gebe es wieder "Zusagen von Sponsoren aus arabischen Ländern". So ist die Kritik, daß hinter dem westlichen Auftreten von Inssan in Wirklichkeit eine Strategie steckt, gar nicht so abwegig. Im Fall von Klaus-Dieter Gröhler zumindest wäre sie aufgegangen.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen