© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/07 26. Oktober 2007

Die Zersiedelung der Landschaft hält an
Umweltbericht: Zur Verbesserung der Lage von Natur und Gesundheit wurde viel erreicht / Einige Probleme bleiben ungelöst
Volker Kempf

Das Jahr 2007 ist noch lange nicht vorbei, da erscheinen schon die ersten Jahrbücher mit dem großen Aufdruck der Jahreszahl 2008 darauf. Dagegen sieht der kürzlich erschienene Jahresbericht 2006 des Umweltbundesamtes (UBA) alt aus. Aber dem UBA-Bericht geht es nicht um Effekthascherei, sondern um solide Arbeit. Zusammenstellen und aufarbeiten will die Dessauer Bundesbehörde die Fakten für Umwelt und Gesundheit des abgeschlossenen Vorjahres, um auf dieser Grundlage der Politik die Entscheidungsfindung leichter zu machen.

Drei Schwerpunkte hat der UBA-Jahresbericht 2006:

1. Gesundes Leben in einer Umwelt, die dies ermöglichen soll;

2. Umweltschutzbemühungen für die biologische Vielfalt;

3. und das Dauerthema der Ressourcenschonung.

Die Karten zeigen, daß von 1990 bis 2005 die starke Schwefeldioxidbelastung (SO2) verschwunden ist. Entsprechendes gilt für das vereinte Deutschland hinsichtlich der Feinstäube und des Stickstoffdioxids (NO2). Sogar die Ozonwerte sind rückläufig. Die Luftreinhaltepolitik darf damit als eine Erfolgsgeschichte gelten. Der Teufel steckt allerdings noch im Detail. Die Luftqualität entspricht in Deutschland nicht den EU-weiten Zielwerten für Ozon. Neue Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid, die aufgrund der Wirkungsforschung erlassen wurden, werden in Ballungsräumen deutlich überschritten. Das Hauptproblem hat sich aber von der Außen- zur Innenluft verlagert. Weil Energie gespart werden soll, zirkuliert weniger Luft in den Wohnungen. Schadstoffe reichern sich dadurch an, Schimmelpilze befallen Wohnungen. Daß in Wohnungen geraucht wird, macht die Luft schlechter und schädigt vor allem Kleinkinder.

Die akustische Luftverschmutzung setzt dem Menschen ebenfalls zu. Eine deutliche Erhöhung des Herzinfarktrisikos durch Verkehrslärm ist statistisch nachgewiesen. Entsprechendes gilt für den Zusammenhang von nächtlichem Fluglärm und Arzneimittelbedarf für die Behandlung von Herz- und Kreislauferkrankungen. Bauliche Maßnahmen an Häusern, bis hin zu Lüftungseinrichtungen in Schlafräumen, sollen das Problem richten. Die Kosten trägt der Flughafenbetreiber. So sieht es das vom Bundestag im Dezember 2006 novellierte Fluglärmgesetz vor.

Was Herz- und Kreislauf ebenfalls zusetzt, ist die Klimaerwärmung. Rekordhalter ist das Jahr 2003 mit 7.000 Hitzetoten in Deutschland (14.805 in Frankreich, 1.400 in den Niederlanden, 2.450 in Großbritannien und 4.175 in Italien sowie 4.230 in Spanien). Insgesamt sind die Sommertage (mit Temperaturen über 25 Grad Celsius) in Deutschland von 1974 bis 2004 - einer Graphik nach zu urteilen - um annähernd 50 Prozent mehr geworden. Beim Trinkwasser sind es die Rohrsysteme und Installationen, die Probleme bereiten können und gegebenenfalls ausgetauscht werden sollten.

Die Badequalität an den Binnen- und Küstengewässern hat sich seit 1992 deutlich verbessert, allerdings vor allem in der Zeit bis 1998, dann nicht mehr. Was die Böden anbelangt, sind die Werte für Stickstoff seit 1995 nahezu unverändert zu hoch. Die Zersiedelung der Landschaft ist ein ungelöstes Problem. Jeden Tag wird eine Fläche so groß wie 160 Fußballfelder, meist zu Lasten der Landwirtschaft, in Siedlungs- und Verkehrsfläche verwandelt - obwohl die Bevölkerungszahl nicht steigt. Vom Flächenrecycling wird wie seit vielen Jahren als Ausweg gesprochen, doch hat das an den Zahlen bisher nicht viel ändern können.

Des weiteren gibt es 60.000 Kulturwehre, die Deutschlands Flüsse zerschneiden, so daß zahlreiche Fische nicht mehr "wandern" und laichen können. Für die Landwirtschaft präsentiert das UBA vor allem Bewertungssysteme für diverse Einträge auf Äcker und Pflanzen. Auf EU-Ebene seien Rechtsvorschriften oder Finanzierungsinstrumente für den direkten Schutz der Böden notwendig; das betrifft als besonders dringlich die Eintragung von Nitrat und Klärschlamm in der Landwirtschaft.

Was die Rohstoffproduktivität anbelangt, ist diese vom Ausgangsjahr 1991 bis 2005 auf 129 Prozent gestiegen. Energie soll gespart werden durch Schalter an Geräten im Bereitschaftszustand ("Stand-by"). Die Windkraft braucht laut UBA mehr Rückenwind - doch dieser geht dann auch zu Lasten des Umweltmediums Landschaft sowie der Vogelwelt. Die Kraft-Wärme-Kopplung müsse ausgebaut werden. Mit dieser Technik wird der Brennstoff in Kraftwerken nicht nur zur Stromerzeugung, sondern gleichzeitig auch zur Erzeugung von Wärme oder Kälte verwendet. Das UBA geht davon aus, daß diese und einige weitere Maßnahmen bis 2020 eine Reduktion der energiebedingten CO2-Emissionen gegenüber 1990 um 40 Prozent möglich machen. Sicher ist das ein theoretischer Wert.

Der UBA-Bericht 2006 macht damit deutlich, daß der technische Umweltschutz Erfolge gebracht hat. In einigen Bereichen, dem Flächenverbrauch und der Artenvielfalt, zeigt sich, daß Erfolge auf sich warten lassen, denn die Lebensansprüche und die Bevölkerungszahl ist aus ökologischer Sicht zu hoch. Da Deutschland im globalen Kontext wirtschaftet, sagen die unmittelbaren Umweltdaten über die Gesamtumweltbelastung in anderen Teilen der Welt nicht viel aus, was in Zukunft deutlich herauszuarbeiten aufschlußreich wäre.

Den UBA-Jahresbericht 2006 gibt es kostenlos bei den Gemeinnützigen Werkstätten Bonn, In den Wiesen 1-3, 53227 Bonn, Telefon: 01888/305-3355. Im Internet: www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3307.pdf


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