© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/07 26. Oktober 2007

2077 endet das islamische Joch
Hörbuch: Solowjews "Kurze Erzählung vom Antichrist"
Werner Olles

Der russische Religionsphilosoph Wladimir Sergejewitsch Solowjew, 1853 als Sohn eines Historikers und Enkel eines orthodoxen Priesters in Moskau geboren, wuchs zwar in der Tradition des orthodoxen Glaubens auf, entwickelte sich aber in seiner Jugend zum Materialisten und Atheisten. Über die Beschäftigung mit Spinoza, Schopenhauer und Schelling fand er schließlich zur Religion der Väter zurück und wurde ein vehementer Verteidiger des rechtmäßigen Glaubens. Dennoch hatte er seine Schwierigkeiten mit der russisch-orthodoxen Kirche, deren enge Bindung an den Zarismus er kritisierte. So wandte er sich im Laufe der Zeit immer stärker der römisch-katholischen Kirche zu, ohne jedoch zu konvertieren.

1899, nur wenige Monate vor seinem frühen Tod, erschien erstmals Solowjews Schrift "Kurze Erzählung vom Antichrist". Als letzter Teil seines Werkes "Drei Gespräche" ist sie in Anlehnung an die Offenbarung des Johannes eine in weiten Zügen düstere Endzeitvorstellung über das Schicksal der Christenheit. Solowjew beschreibt das Erscheinen des Antichrist, jenes falschen Propheten, der als Handlanger des Satans in der urchristlichen Apokalyptik eine wesentliche Rolle spielt. Hier tritt der Antichrist als großer Gelehrter auf. Sein Buch "Der offene Weg zu Frieden und Wohlfahrt der Welt" wird von den Menschen als neue Bibel begeistert aufgenommen.

Nachdem die Vereinigten Staaten von Europa im Jahre 2077 endlich das islamische Joch abgeschüttelt haben, tritt der Antichrist auch politisch auf den Plan. Er wird zum lebenslänglichen Präsidenten und schließlich sogar zum Kaiser des wiedererstandenen Römischen Reiches gewählt. Erst als er das "Weltkonzil aller Christen" nach Jerusalem einberuft, regt sich bei den glaubenstreuen Christen Widerstand. Als er dem Papst als Ersatz für seinen Verzicht auf das Petrusamt ein "Museum für christliche Archäologie" anbietet, hält Petrus II. standhaft an der Überlieferung fest. Als der orthodoxe Patriarch Johannes den Imperator schließlich als Antichrist entlarvt, spricht Papst Petrus II. die Exkommunikation aus. Zwar werden Papst und Patriarch getötet, doch Professor Pauli, der Führer der Protestanten, flieht mit den letzten Christen nach Jericho, wo sie den wiederkommenden Christus erwarten. Eine geeinte Christenheit, der sich auch die Juden anschließen, tritt nun dem Antichrist entschlossen entgegen.

Erstmals liegt nun das letzte und gleichzeitig bekannteste Werk eines der größten russischen Philosophen als Hörbuch in szenischer Lesung in der Übertragung des langjährigen Solowjew-Übersetzers Erich Müller-Kamp vor. Regie führte der aus Graz stammende Schauspieler Raimund Wurzwallner, der auch den Antichrist spricht. 

Wladimir Solowjew: Kurze Erzählung vom Antichrist. 2 Audio-CDs, Laufzeit: 98 Minuten, Beiheft, Mediendienste Olaf Lezinsky, Berlin 2007. Internet: www.morusverlag.de


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