© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/07 02. November 2007

50 Jahre Trabant: Stolz des Arbeiter- und Bauernstaates
Totzukriegen ist er nicht
Steffen Königer

Fünfzig Jahre hat er nun auf dem Buckel, das wohl berühmteste Zweitakt-Ottomotor betriebene Fahrzeug der Weltgeschichte: der Trabant! Eigentlich in der Bedeutung des "Begleiters" gemeint, hat er in der Anzahl seiner Kosenamen seinen westdeutschen Bruder, den Käfer, wohl längst überholt. Asphaltblase, Duroplastbomber, Rennpappe und ähnliche Namen mehr. Dabei war es fast unmöglich, an einen fabrikneuen zu gelangen: Kurz vor der Wende war die Wartezeit fast bei 18 Jahren angelangt.

Die VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau stolperten stets über die Planwirtschaft, und so war mal dieses, mal jenes Teil nicht vorrätig. Besonders paradoxe Wirkung: Hatte man ihn endlich nach langer Wartezeit, konnte er zwei, drei Jahre gefahren werden, dann verfielfachte sich der Wert! Eigentlich war der Trabant in den Anfangsjahren eine Erfolgsgeschichte. Rohstoffe waren knapp, Tiefziehblech fiel unter das Embargo, und so besann man sich auf den Kunststoff namens "Duro-Plast" - ein Gemisch aus Phenolharzen und Baumwolle. Noch einen luftgekühlten Zweitaktmotor (deshalb mußte auch ein Öl-Benzin-Gemisch von 1:50 in den Tank, was für den markanten Gestank verantwortlich war) samt Getriebe mit Lenkradschaltung vorn reingeworfen und fertig war der Stolz des Arbeiter- und Bauernstaates.

Mit seinen 23 Pferdestärken der letzten Zweitaktserie erreichte er satte 106 Stundenkilometer - der Sage nach kamen wenige sogar über die 120er Marke. Daß dabei alle Insassen fast ertaubten, nahm man hin - schließlich fuhren so Familien in den Urlaub bis ans Schwarze Meer. Und wer einen größeren Körperwuchs aufwies, hatte die Knie sowieso in Ohrhöhe gehabt.

Eigentlich sollte die endlos hergestellte Serie des 601 nur bis 1967 produziert werden. Zwischen 1957 und 1991 wurden jedoch insgesamt 3.051.385 Fahrzeuge produziert. Zu starrköpfig erwies sich die Staatsführung, die mit der Planwirtschaft ja alle Hebel in der Hand hielt, um das bereits Anfang der siebziger Jahre veraltete Modell zu ersetzen. Wohnungen schienen wichtiger. Dabei exportierte man den kleinen Stinker fleißig nach Polen, in die ČSSR und vor allem nach Ungarn. Anfang der achtziger Jahre war der technische Rückstand nicht mehr wegzureden: Während Ingenieure im Westen schon die Serienreife des Airbags diskutierten, bekam die Rennpappe eine Benzinanzeige verpaßt. Bei der im Volksmund als "Mäusekino" bekannt gewordenen Anzeige schwankte die Nadel stets zwischen "Reserve" und "Voll". Der bislang genutzte Kunststoffstab, der in den Tank im Motorraum getaucht werden mußte, hatte ausgedient.

In einem im DDR-Fernsehen gezeigten Werbespot rühmte der sächselnde Trabbi-Kontrukteur ausführlich die Vorteile der bahnbrechenden Erfindung: Man wisse nun genau, wann man den Benzinhahn (den hatte der Beifahrer wirklich im Fußraum!) auf Reserve legen müsse und bliebe so nun nicht mehr mitten auf der Kreuzung stehen.

Die wohl bekannteste Periode hat der Wagen zweifellos in der Wendezeit. Säumten nachdem Ungarn den eisernen Vorhang fallenließ doch Tausende dieses Fortbewegungsmittels der zu Fuß Geflüchteten das Grenzland Ungarns. Nach dem 9. November knatterten die Zweitakter selbst in die entferntesten Schwabendörfchen und hinterließen blaue Rauchfahnen. So konnte man den "Ossi" nicht nur riechen, sondern auch sehen, wo er langgefahren ist.

Daß im letzten Vorwendejahr mit dem Modell Trabant 1.1 noch ein Viertakter mit VW Motor die Serienreife erreichte, wurde jedoch nicht honoriert. Er wurde fast gänzlich "auf Halde" produziert, bis man schließlich am 30. April 1991 der Trabantproduktion endgültig das Lebenslicht ausblies. Daran konnten auch Erfolgsfilme wie "Go Trabi Go" oder "Trabi goes Hollywood" mit Goldlocke Thomas Gottschalk kaum etwas ändern.

Beim deutschen Kraftfahrt-Bundesamt waren zum 1. Januar 2007 noch rund 52.400 Trabant in Deutschland registriert, die noch nicht auf dem Schrottplatz oder in der gelben Tonne landeten. Aber totzukriegen ist er nicht: Auf der Internationalen Automobilausstellung 2007 stellte ein Auto-Miniaturenmodell-Fabrikant (Herpa) einen Entwurf eines neuen Trabi vor, der mit seinem futuristischen Design bei wahren Fans Begeisterung auslösen würde. Nun sucht man für den "Retro-Trabi" einen Hersteller.


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