© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/07 09. November 2007

Im Glanze dieses Glückes
Einheits- und Freiheitsdenkmal: Über die friedliche Revolution von 1989 können wir die Nation neu entdecken
Patrick Neuhaus

Die Diskussion um ein nationales Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin oder Leipzig erhitzt die Gemüter. Einig ist man sich lediglich über den positiven Effekt eines solchen Projekts, in dem sich auch nachwachsende Generationen wiedererkennen sollen.

Doch was ein neu zu bauendes Freiheits- und Einheitsdenkmal zur Erinnerung an den Mauerfall im Detail versinnbildlichen und welche Gestalt es haben sollte, erscheint auch nach den öffentlichen Anhörungen, die in der Berliner Nikolaikirche stattfanden, sehr unklar und verschwommen. Die Ratlosigkeit ufert nun aus in einen Meinungsstreit um die Standorte Leipzig oder Berlin.

Der öffentliche Diskurs um das Denkmal stellt eine unerhörte Herausforderung für die Gesellschaft dar, zumal er sowohl die Frage nach unserer Stellung zur Nation als auch nach der Identifikation der Nachkommenden mit unserer Geschichte berührt.

Seit Anfang Oktober nun versuchen Politiker, Medien sowie Teile der deutschen Öffentlichkeit, die verschiedenen Vorstellungen über Gestalt und Form eines solchen Denkmals weiterzuentwickeln. Dabei scheint sich immerhin ein Konsens darüber abzuzeichnen, daß das Denkmal grundsätzlich gewollt ist. Die konkreten Ergebnisse waren bisher jedoch eher dürftig. Daran werden auch jene als Anregung für künftige Diskussionen gedachten studentischen Wettbewerbsbeiträge nicht viel ändern, die Anfang dieser Woche in Berlin vorgestellt wurden.

Immerhin scheint das Projekt bereits starke Fürsprecher auch in Regierungskreisen gefunden zu haben. Als engagierter Förderer kann mittlerweile Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) gelten, der erst jüngst bei seiner Ansprache zum Tag der Deutschen Einheit in Schwerin forderte, ein Freiheits- und Einheitsdenkmal spätestens zum 25.  Jahrestag des Mauerfalls zu realisieren. Auch der Kulturausschuß des Deutschen Bundestages hat sich unlängst des Themas angenommen, allerdings erst nach monatelangem Zögern.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) hatte am 4. Juli 2007 dem Bundestagsausschuß für Kultur und Medien einen Diskussionsentwurf für die Fortschreibung der Gedenkstättenkonzeption des Bundes vorgelegt, in dem unter anderem verschiedene Erinnerungsstätten in der ehemaligen DDR aufgeführt werden.

In dem Entwurf wurde auch das seit 2006 in der Diskussion stehende Projekt eines Freiheits- und Einheitsdenkmals mit dem Standort Berlin ausdrücklich befürwortet. Bemerkenswert ist, daß das Denkmal im Rahmen dieses Diskussionsentwurfs überhaupt Erwähnung fand - sollte es doch, folgt man den Vorgaben der federführenden Deutschen Gesellschaft e. V., dabei nicht primär um eine integrierte Gedenkstätte gehen.

Doch wie kann die Identifikation der Nation mit einem neugeschaffenen Denkmal erreicht werden, von dem kein Symbolcharakter ausgeht? Erinnern wir uns: Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges war die Identifikation des Volkes über Denkmäler ein nicht hoch genug einzuschätzendes Moment des Nationalgefühls gewesen.

Die wohl größte Identifikation der äußerlich geeinten Nation erfolgte über die Person des Reichsgründers Otto von Bismarck. An zahllosen Orten in Deutschland fanden sich große und sehr große skulpturale Bismarck-Denkmäler und -Türme, selbst ein Bismarck-Nationaldenkmal in Berlin entstand - Ausdruck höchster Verehrung für jenen Mann, der als Kanzler maßgeblichen Einfluß auf die Reichseinigung 1871 hatte.

Der Historiker Ernst Nolte erblickte in der Errichtung der vielen Bismarck-Denkmäler jener Jahre auch den "Beweis einer anderen Art von Vergangenheitsorientierung", als es etwa in Frankreich oder England der Fall gewesen ist. Diese Vergangenheitsorientierung dürfte sich bei aller Verschiebung der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse im Reichstag nach links und trotz der wirtschaftlichen Prosperität des Reiches gegen eine allzu schnelle Verwestlichung bzw. Republikanisierung Deutschlands ausgewirkt haben.

Die Denkmäler verkörperten somit einen breiten Konsens in der deutschen Gesellschaft, und Bismarck wirkte gewissermaßen als eine überhöhte, stark integrative Vaterfigur, ein Gesamtdenkmal von unerreichbarer Größe. In diesen Denkmälern findet sich vielleicht mehr gesellschaftliche Emanzipation - im Sinne eines vom einzelnen in sie hineinprojizierten Zusammengehörigkeitsgefühls - als gemeinhin vermutet.

Auch ein künftiges Freiheits- und Einheitsdenkmal muß ein solches Zusammengehörigkeitsgefühl stiften, ausdrücken, vermitteln. Die Anforderungen sind hoch: Das Denkmal muß ebenso den Respekt vor den Leistungen der friedlichen Revolution in der DDR erkennen lassen, wie es sich selbstbewußt auch den Freiheitsbewegungen und -bestrebungen früherer Epochen der deutschen Geschichte öffnen muß. Es soll Glanz und Glorie deutscher Geschichte spiegeln, und es muß Ausdruck nationaler Selbstbehauptung sein.

Der aktuellen Diskussion mangelt es noch an einer gesellschaftlich und politisch konsensfähigen Vorstellung darüber, was ein Einheitsdenkmal im Hinblick auf eine selbstbewußte Nation versinnbildlichen kann und darf. Ein durchaus tragfähiger Konsens ließe sich in den Worten des SPD-Granden Egon Bahr erblicken, denen zufolge ein Freiheits- und Einheitsdenkmal den "Stolz" auf die Leistung der Deutschen beim friedlichen Einigungsprozeß versinnbildlichen und sich alle Deutschen in einem solchen Denkmal wiederfinden sollen.

Die Auseinandersetzung mit der eigenen Nationalgeschichte über ein Denkmal für die Freiheitsbewegung von 1989 wäre schließlich auch ein geschichtspolitisches Angebot an all jene, die lange meinten, sich der deutschen Geschichte nur durch eine Fixierung auf deren katastrophalen Aspekte im 20. Jahrhundert und die aus ihr resultierende Schuld des deutschen Volkes nähern zu dürfen.

Wie ein breite Schichten der Gesellschaft erreichendes, ergreifendes und überzeugendes nationalgeschichtliches Identifikationsangebot in Form eines Einheits- und Freiheitsdenkmals aussehen kann, diese Auseinandersetzung sollte sich im Rahmen eines großangelegten Wettbewerbs über Gestalt, Ort und Nutzung führen lassen. Ein Nutzungskonzept für das Denkmal - und auch ein Protokoll für Feierlichkeiten - zu entwickeln, ist jedoch nicht allein die Aufgabe der Politik, sondern jedes einzelnen Deutschen.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen