© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/07 09. November 2007

Kolumne
Parkinsons Gesetz
Klaus Motschmann

Es besteht inzwischen quer durch alle politischen Lager weitgehende Übereinstimmung, daß das kulturelle Milieu in der alten Bundesrepublik "trotz der massiven gesellschaftlichen Restauration nach dem Krieg von einer intellektuellen Linken mit einer gewissen Selbstverständlichkeit geprägt werden konnte" (Jürgen Habermas). Was für die Bundesrepublik zutrifft, gilt erst recht für die DDR, die den Antifaschismus zur Staatsdoktrin erklärte und dafür bis heute noch immer erstaunliche Anerkennung findet. Dieser Mythos hat den Zusammenbruch der DDR bekanntlich überlebt und prägt noch immer in hohem Maße das Bewußtsein maßgebender Multiplikatoren in Deutschland.

Es sollte sich allerdings die Frage stellen, wie diese Entwicklung angesichts der linken Leitkultur sowohl in der alten Bundesrepublik als auch in der DDR möglich war. Dafür gibt es verschiedene Erklärungen. Eine sehr plausible leitet sich aus "Parkinsons Gesetz" ab, einem weitverbreiteten politischen Bestseller in den siebziger Jahren. Der britische Historiker Northcote Parkinson (1909-1993) liefert in dieser Untersuchung eine schlüssige Erklärung dafür, warum in aller Welt Bürokratien von einem gewissen Zeitpunkt an eine eigendynamische Entwicklung durchlaufen, die oft in umgekehrtem Verhältnis zu den ursprünglichen Erfordernissen steht. Sie beginnen allmählich, sich mehr mit sich selbst zu beschäftigen und immer weniger mit den Aufgaben, zu deren Lösung sie einmal eingerichtet wurden.

Als eines von vielen trefflichen Beispielen führt Parkinson die Entwicklung in der britischen Marine von 1914 bis 1928 an. Obwohl sich der Bestand an Schiffseinheiten aus verschiedenen Gründen um 67 Prozent verringert hatte, erweiterte sich der Personalbestand in der Bürokratie der Admiralität im gleichen Zeitraum um 78 Prozent. Die logische Konsequenz war die Bildung einer "großartigen Marine zu Lande", die sich nicht an den politischen Realitäten, sondern an der Traditionspflege und Bestätigung eigener ideologischer Vorstellungen orientiert.

Bezogen auf unsere Antifa-Bürokratie: Sie wächst und wächst durch immer neue Vernetzungen aller möglichen Initiativen, Publikationen, Kongresse und Aktionen, obwohl man weiß, daß diese Strategien und Taktiken der Dauererregung in keiner Weise zur Lösung der angeblichen oder auch tatsächlichen Probleme beitragen.

 

Prof. Dr. Klaus Motschmann lehrte Politikwissenschaft an der Hochschule der Künste Berlin.


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