© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/07 09. November 2007

Aufgeschnappt
Irregeleitete Jugend
Matthias Bäkermann

In Bonn-Beuel gibt es seit den zwanziger Jahren eine Langemarckstraße, die an die blutigen Kämpfe am 10. November 1914 bei dem flandrischen Ort erinnern sollte. Nach einer "Projektarbeit" einer zehnten Klasse des Tannenbusch-Gymnasiums wurde 1997 seitens der Stadt ein Zusatzschild angebracht: "Schlachtort im Ersten Weltkrieg. Symbol für den Mißbrauch des Idealismus deutscher Jugendlicher durch nationalistische Propaganda 1914-1945".

Die Fraktionen von SPD und Grünen hatten seinerzeit gegen die Stimmen der CDU die 2.500 Mark teuren Erklärungen durchgesetzt. Zuvor hatte der Leiter des Bonner Stadtarchivs, Manfred van Rey, eine die Schülerarbeit befürwortende Stellungnahme abgegeben, in der er nochmals den bösen "Mythos von Langemarck" unterstrich. Im Gegensatz zu den etwa 16jährigen Jugendlichen hätte er als Historiker jedoch wissen müssen, daß der durch das Schild sogar noch bestätigte Mythos über den "Opfertod der Jugend" vor Langemarck höchst umstritten ist. So wurde die Meldung der Obersten Heeresleitung von 1914, wonach "junge Regimenter unter dem Gesange 'Deutschland, Deutschland über alles' gegen die erste Linie der feindlichen Stellungen" stürmten, oft in Frage gestellt. Zum Beispiel hatte das beteiligte XXVII. Reservekorps, das über 2.000 Opfer beklagen mußte, keinen hervorzuhebenden jüngeren Altersdurchschnitt.

Ein aktueller Antrag vom 20. September, die Ergänzungstexte deshalb neutral als "Schlachtort im Ersten Weltkrieg in Belgien" abzuändern, wurde trotzdem im Stadtrat einstimmig abgelehnt. So weisen in Bonn auch weiterhin Schilder auf eine propagandistisch irregeleitete Jugend hin.


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