© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/07 09. November 2007

Warum aus Fürth nicht Mügeln wurde
Kriminalität: Angriff türkischer Jugendlicher auf Deutsche stößt kaum auf Resonanz / Regionale Zeitungen üben Selbstzensur
Peter Knoll

Der Polizeibericht war eindeutig: Kurz nach Mitternacht beleidigen und attackieren zehn türkische Jugendlichen sechs Männer im Alter von 38 bis 41. Wenig später greifen 30 Jugendliche die Männer nochmals an. Einer erhält einen Schlag ins Gesicht, wobei seine Brille zu Bruch geht. Alle sechs Männer werden durch Faustschläge und Fußtritte verletzt, zwei von ihnen müssen ins Krankenhaus. Die Jugendlichen flüchten vom Fürther Hauptbahnhof in die Südstadt. Wenig später nimmt die Polizei zehn von ihnen fest - türkische Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren. Soweit die Polizeimeldung.

Der Vorfall (JF 44/07) ereignete sich vor vier Wochen nach dem Besuch eines Volksfestes, einer sogenannten Kirchweih. Der Fall erinnert in gewisser Weise an die Auseinandersetzungen am Rande eines Stadtfestes im sächsischen  Mügeln. Hier wie dort standen sich Ausländer und Deutsche gegenüber. Allerdings: Während in Mügeln die Gewalt möglicherweise von Deutschen ausging, war es in Fürth andersherum. Und ein weiterer Unterschied sticht ins Auge: die Berichterstattung in den Medien.

 Die angebliche "Hetzjagd" auf Inder in Mügeln sorgte deutschlandweit für Aufregung, kaum eine Zeitung oder ein Fernsehsender, die nicht über die Ereignisse berichteten. Kaum ein Politiker, der sich nicht zu Wort meldete und vor Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus warnte. Dagegen kam der Angriff in Fürth über die lokale Berichterstattung kaum hinaus.

Dabei haben einige Regionalblätter den Fall durchaus aufgegriffen und somit für andere Journalisten zugänglich gemacht, wie ein Blick auf die Berichterstattung in den regionalen Zeitungen über die Schlägerei am Rande der Fürther Michaeliskirchweih zeigt.

Nürnberger Nachrichten (NN) und Nürnberger Zeitung (NZ) übernahmen korrekt die Einzelheiten der Fürther Polizei. Das Internetportal Nordbayern.de, betrieben von beiden Zeitungen, war sogar wortgenau. Ein Detail könnte allerdings erklären, warum die Berichterstattung auf wenig Resonanz gestoßen ist. Das Internetportal strich alle Hinweise auf die Abstammung der Täter - ganz genauso wie NN und NZ.  Lediglich die Nürnberger Abendzeitung brachte eine Kurzmeldung über die Schlägerei mit dem Hinweis auf die Täterschaft türkischer Jugendlicher.

Der Nürnberger Polizeisprecher Michael Gengler erklärte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, daß die Zeitungsredaktionen frei darüber entscheiden, ob sie überhaupt die Berichte der Polizei drucken, ob sie den Bericht vollständig übernehmen oder nur einen Teil und ob die Journalisten noch eigenständige Nachforschungen anstellen. Die Fakten zur Schlägerei in Fürth konnte Gengler bestätigen, einen öffentlichen Abschlußbericht werde es später auf jeden Fall geben. "Sie müssen verstehen, daß bei über 30 Beteiligten die Ermittlungen sehr zeitintensiv verlaufen. Es ist nicht einfach, wenn die Beteiligten Einzelheiten verschweigen." Zum möglichen Motiv der Tat wollte Gengler noch keine Angaben machen - weder zu möglichen inländerfeindlichen noch zu rechtsextrem-türkischen Hintergründen.

Wie läßt sich der Unterschied in der Berichterstattung erklären? Während das zuweilen linkspopulistische Boulevardblatt Abendzeitung (AZ) (im Verbund mit Münchner Abendzeitung und Süddeutscher Zeitung, verkettet durch den Süddeutschen Verlag), zu dessen Weltbild doch eher die Unterstellung "guter Ausländer - böser Deutscher" passen würde, sich ganz offensichtlich  an den englischen Pressegrundsatz "Die Fakten sind heilig, die Kommentare sind frei" ("Comment is free, but facts are sacred") hält und ohne Streichungen informierte, gibt die Berichterstattung der Konkurrenz auch in ähnlichen Fällen mitunter Rätsel auf.

Eine ehemalige Journalistin, die für eine der in Nürnberg ansässigen Zeitungen gearbeitet hat, erzählt, daß sie beim Umschreiben von Polizeimeldungen immer die Herkunft der Täter weglassen mußte. "Das verschärft nur die Konflikte und behindert die Integration", begründete ihr Vorgesetzter seinerzeit die Streichungen. Selbst wenn im Polizeibericht präzise von Rußlanddeutschen, Türken oder Griechen die Rede war, durfte es in der Zeitung nicht auftauchen, meinte die Mitarbeiterin.

Womöglich gibt es auch bei den Nürnberger Nachrichten ähnliche Vorgaben. Ein Kommentar von Ulrike Löw in den NN legt eine solche Vermutung nahe:  "Hunderte von Jugendlichen ziehen aggressiv durch die Stadt, es kommt zu Schlägereien. Alkoholbedingt. Wegen der Unruhen am Kohlenhof muß die Polizei sogar Verstärkung aus den Nachbarstädten anfordern", heißt es am 24. Oktober 2007.  Höhepunkt sei Anfang des Jahres eine Massenschlägerei am Verkehrsknotenpunkt Plärrer gewesen; viele Beteiligten seien vom nahen Kohlenhof gekommen, also vom alten Güterbahnhof.

Zu den Beteiligten selbst werden wenige Angaben gemacht, der kulturelle Hintergrund der Akteure wird verschwiegen: War es eine Keilerei unter Türken oder ausschließlich unter Deutschen, oder war es eine gemischte Gruppe? Die Leser bleiben mit ihren Fragen alleine.


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