© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/07 09. November 2007

Eine Schulform weniger
Bildungspolitik: Rheinland-Pfalz schafft die Hauptschule ab / Kritik vom Lehrerverband, Zustimmung von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Josef Hämmerling

Die Pläne der Landesregierung von Rheinland-Pfalz, die Hauptschule schrittweise abzuschaffen, haben den Streit um  die Bildungspolitik in Deutschland neu entfacht (siehe auch den Kommentar auf Seite 2). Bis 2013 soll die Hauptschule in Rheinland-Pfalz in eine "Realschule Plus" überführt werden, an der die Schüler auch ihre Fachhochschulreife machen können. Die Schar der Bundesländer, die noch an der Hauptschule festhalten, schrumpft damit weiter. Nur noch Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen beharren auf der weiteren Existenz von Hauptschulen, nachdem zuletzt die CDU-geführten Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein das Ende dieser Schulform eingeläutet hatten.

Die Befürworter der Abschaffung der Hauptschule begründen dies vor allem mit dem schlechten Ansehen dieser Schulform und dem Umstand, daß immer weniger Hauptschüler einen Arbeitsplatz finden. Daher sei es sinnvoller, die Schüler in einer gemeinsamen Schule zu integrieren, sie länger gemeinsam zu unterrichten und erst ab dem siebten Schuljahr Trennungen vorzunehmen. Denn auf den meisten gemeinsamen Schulen wird es auch weiterhin einen Haupt- und Realabschluß geben.

Ein weiterer Vorteil sei, daß die Kinder damit zumindest in diesen Schulzweigen nicht schon mit dem zehnten Lebensjahr eine Entscheidung für eine bestimmte Schulart treffen müssen. Denn oftmals zeige sich die Qualifikation des Kindes erst ab einem späteren Alter, wobei der Wechsel von einem Gymnasium zu einer Realschule einfacher sei als umgekehrt.

Kritik an den Plänen der Mainzer SPD/FDP-Koalition unter Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) kommt von den Lehrern. So nannte der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL), Josef Kraus, die Abschaffung der Hauptschule eine "reine Schaufensterpolitik". "Kein einziges schulpolitisches und schulpädagogisches Problem ist damit gelöst, es wird nur umetikettiert", schrieb er in einem Beitrag für die Welt.

Die Hauptschule habe "nun einmal eine heterogene, herausfordernde Klientel, die einer besonderen Förderung bedarf - einer Förderung, die eine moderne Hauptschulpädagogik am besten leisten kann".

Mit der Kappung der Hauptschule sei "deren Schülerschaft nicht verschwunden oder wie durch ein Wunder zu einer hochleistungsfähigen und hochmotivierten geworden. Eine Abschaffung der Hauptschule oder deren Zusammenlegung mit der Realschule schafft für die originäre Hauptschülerschaft auch keine einzige Lehrstelle zusätzlich."

Die einzige echte Alternative könne nur eine verbesserte Hauptschule sein, die in sich noch mehr differenziere und fördere und die zudem eng mit dem Arbeitsmarkt und den beruflichen Schulen zusammenarbeite.

Kraus kritisierte auch, wenn sich die Hauptschulen mit einem Ausländeranteil von 80 Prozent überfordert sähen, sei dies "kein Versagen der Hauptschule, sondern ein Versagen der Schul- und Migrantenpolitik". Darüber hinaus wies der DL-Präsident darauf hin, daß es in Bayern mittlerweile fünfzehn Landkreise gibt, die bei hohem Hauptschüleranteil Vollbeschäftigung haben, also eine Arbeitslosenquote von unter drei Prozent.

Anders sieht es naturgemäß die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der die Reform der Landesregierung allerdings noch nicht weit genug geht. Es sei ein falsches Signal, daß an der neuen "Realschule Plus" weiterhin der Hauptschulabschluß vergeben werden solle, kritisierte der GEW-Landesvorsitzende Tilman Boehlkau. Seiner Ansicht nach wären größere Schritte hin zu einer "Schule für alle" unter Einbeziehung auch der Gymnasien und Förderschulen "die mutigere und bessere Lösung gewesen".


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