© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/07 09. November 2007

UMWELT
Zirkusreife Klimapolitik
Volker Kempf

Angela Merkel scheint auf der Klimaschutz-Überholspur. Sogar Klaus Töpfer, der Ex-Chef des UN-Umweltprogramms, traute der Kanzlerin zu, "keine Kompromisse" machen zu wollen, zumindest was das Aushandeln von papiernen Klimavertragstexten angeht. Dann schaute die CDU-Chefin vor Grönlandgletschern in die Kameras. Nachdem Al Gore seinen Friedensnobelpreis erhielt, suchte Merkel den Schulterschluß mit dem Ex-US-Vizepräsidenten. "Merkel und Gore rufen zum Kampf gegen Klimawandel auf", titelten die Medien. Wer sich für den Klimaschutz engagieren will, soll das tun, aber: Zu Kohls Zeiten war Merkel erst für die Öko-Steuer, dann dagegen, als die SPD damit ernst machen wollte. Weniger lange ist es her, da war Merkel gleich vorne dabei, als es darum ging, den Flugverkehr weiter zu liberalisieren, was auch immer das für das Klima bedeuten möge.

Kaum fordert der SPD-Parteitag ein Tempolimit 130 auf Deutschlands Autobahnen, spricht sich Merkel sofort dagegen aus. So weit geht die Klimaliebe dann doch nicht. Überhaupt geht es Merkel nicht um Klimaschutz, sondern nur darum, die mediale Bedeutung desselben zu nutzen und zugleich das Gegenteil praktisch zu tun. Wenn der Publizist Franz Alt in seinem neuen - stark biographischen - Buch "Deutschland ist erneuerbar" Merkel als klimapolitisch einsichtig lobt, dann muß auch hier einer seiner christlichen Grundsätze gelten: "An ihren Taten sollt ihr sie erkennen." Betrachtet man ihre Publizitätspolitik mit Umweltbezug einerseits und ihre klimarelevante Sachpolitik andererseits, dann versucht die Ex-Umweltministerin nichts anderes als einen Spagat. Fast könnte man sich zurücklehnen und diesen Zirkus genießen, ginge es nicht um so ernste Dinge.


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