© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/07 16. November 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Verschwendung
Karl Heinzen

Zu den Charakteristika der Ära George W. Bush gehört, daß er wie kaum ein Präsident zuvor die amerikanische Gesellschaft gespalten hat. Auf manchen Gebieten, insbesondere jenem der Irak-Politik, mag die Polarisierung unterdessen schwächer geworden sein. Wo das eine Konfliktfeld befriedet ist, tun sich jedoch sehr schnell wieder neue auf. So hat sich aktuell eine hitzige Debatte an der Frage entzündet, ob zu den unveräußerlichen Menschenrechten der Amerikaner auch jenes zu zählen ist, die Wäsche nach Belieben im Freien zum Trocknen aufzuhängen.

In der Verfassungsentwicklung der USA hat sie nahezu zwei Jahrhunderte lang keine Rolle gespielt. Dies änderte sich erst in den 1960er Jahren, als im Zuge des technologischen Modernisierungsschubes in den Privathaushalten auch der Wäschetrockner zum Standard wurde. Die archaische Methode, das Textilvermögen in Gärten und auf Balkonen den Blicken der Nachbarn preiszugeben, galt alsbald als unzeitgemäß und fiel der sozialen Ächtung anheim. Mancherorts wurde sogar der Staat initiativ und verhängte Ordnungsgelder gegen jene, die sich weigerten, von der Tradition abzulassen.

Die Konservativen befanden sich auch hier auf dem argumentativen Rückzug. Heute erhalten sie jedoch Rückenwind von unverhoffter Seite. Es ist der liberale Klimaguru Al Gore, der pragmatisch vorrechnet, daß die US-Haushalte ihren Energieverbrauch um zehn Prozent senken könnten, so sie denn auf Wäschetrockner verzichteten, und daß dies auf die gesamte amerikanische Volkswirtschaft hochgerechnet den Bedarf immerhin um 3,3 Prozent reduzieren würde. Was Gore jedoch ausklammert, sind die ökonomischen Interdependenzen. Würden die Bürger ihre Wäsche wieder im Freien aufhängen, geriete nicht allein die Haushaltsgerätebranche in die Krise, sondern auch die Immobilienwirtschaft. Bettlaken vor dem Haus suggerieren Armut der Bewohner. Darunter leidet das Image einer Immobilie, was sich wiederum im Preis niederschlägt, der bei ihrem Verkauf erzielt werden kann. Auf einen Schlag wären für die gesamten zu Wohnzwecken genutzten Objekte Wertminderungen zu veranschlagen - ein GAU für die Finanzmärkte.

Darüber hinaus ist Gore aber auch blind dafür, daß eine funktionierende Marktökonomie eine ganz bestimmte Mentalität der Menschen benötigt: Wohlstand ist kein Selbstzweck, sondern nur dann ein lohnenswertes Ziel, wenn er auch zur Schau gestellt werden kann. Die beste Möglichkeit, dies zu tun, ist die Verschwendung - auch und gerade im Energieverbrauch.


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