© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/07 23. November 2007

Kolumne
Die Götzen erkennen
Gabriele Kuby

Christen sind unbeliebt, im allgemeinen, im besonderen und im speziellen. Im allgemeinen: Er, von dem sie ihren Namen haben, hat es vorgemacht: lieben und gekreuzigt werden. Er sagt: Dem Knecht wird es nicht besser gehen als dem Herrn. Weltweit werden jährlich über 100.000 Menschen wegen ihres Glaubens an Jesus Christus getötet. Im besonderen: In Europa lebt es sich ungemütlich als Christ, wenn man sich öffentlich als solcher zu Wort meldet. Da gibt es Schimpfwörter:  "homophob". Im speziellen: Nicht für heilig zu halten, was einem anderen heilig ist, erfordert Toleranz im wahren Sinn des Wortes, und der heißt "ertragen". Das Plakat mit Graf Stauffenberg, dem "Eid der Erhebung vom 20. Juli 1944" und dem Satz "Es lebe das heilige Deutschland" (JF 46/07) solle in jedem Kinderzimmer hängen, schreibt Dieter Stein und verneigt sich.

Als Tochter Erich Kubys bin ich aufgewachsen mit der Kollektivschuldthese. Für ihn gab es nach dem Wehrmachtsdienst nichts Schlimmeres als das deutsche Volk; all sein Schreiben war im negativen Sinn deutschnational. Das hatte für ihn und uns Kinder eine merkwürdige Logik: Wir fühlten uns unschuldig. Warum? Mein Vater hat keinen Widerstand geleistet, sofern man den Haß auf die braune Ideologie und deren Taten nicht als solchen ansieht. Einer, der wie Stauffenberg aus Liebe zum "heiligen Deutschland" sein Leben gab, konnte für ihn kein Held sein, denn Helden gab es keine und schon gar nicht solche, die Wehrmachtsoffiziere waren.

Ich habe durch meine Konversion zum katholischen Glauben eine gewisse Übung im Hinterfragen angenommener Überzeugungen, die man für seine eigenen hält. Darf ich vielleicht doch stolz darauf sein, daß ich Deutsche bin und es Deutsche gab, die zum Tyrannenmord bereit waren? Haben Russen aufgehört, Rußland zu lieben, Chinesen China, weil ihre Diktatoren Millionen systematisch getötet haben? Auch ich liebe mein Land und meine Sprache. Das Große und Gute, das Deutsche geschaffen haben, ist nicht ausgelöscht, weil es das entsetzliche Verbrechen des Holocaust gab! Es scheint, daß Gott nichts von der Kollektivschuld hält, sonst hätte er keinen Deutschen zum Papst gemacht. An der Formulierung ist zu erkennen, daß ich an die Heiligkeit der Kirche glaube. Aber an ein "heiliges Deutschland"? Nein, denn heilig ist für mich nur Gott und alles, was ihm angehört, jedes menschliche Leben. Das erlaubt, die Götzen zu erkennen, zu denen auch die Nation gehören kann.

 

Gabriele Kuby ist Soziologin, Publizistin und Mutter von drei Kindern. Sie lebt in Rimsting (Oberbayern).


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