© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/07 23. November 2007

WIRTSCHAFT
Bonitätsprüfer unter Beschuß
Jens Jessen

Allen Greenspan kanzelte vor zwei Monaten die großen Kreditbewertungsfirmen ab. Sie trügen die Schuld an der Hypothekenkrise in den USA: "Die Ursache des Problems war, daß die Leute glaubten, die Rating-Agenturen verstünden etwas von ihrem Geschäft. Die wissen aber nicht, was sie tun." Die Frage bleibt offen, ob das eine neue Erkenntnis des ehemaligen amerikanischen Notenbankchefs ist und er auch zu den Leuten gehörte, die an die Fähigkeit der Agenturen glaubten oder ob er seine Erkenntnis vorher nicht an die Öffentlichkeit gebracht hat. Die unrühmliche Rolle der Rating-Agenturen ist keine Neuigkeit. In der jüngeren Vergangenheit kam es zu dramatischen Kurseinbrüchen an der New Yorker Börse 1987 (-36 Prozent), 1990 (-35 Prozent), 1998 (-30 Prozent) und 2000 (-37,5 Prozent), die auch an den übrigen Börsen verheerend wirkten. Fonds und Einzelaktien stürzten ab. Milliardenwerte mußten abgeschrieben werden - auch bei deutschen Bankhäusern.

Fonds- und Aktieninhaber, die ihre Altersversorgung auf Aktien aufgebaut hatten, standen vor dem Nichts. Die Rating-Agenturen versagten bei allen Entwicklungen, da sie die Kreditwürdigkeit von Ländern und Unternehmen, die in der Regel von AAA bzw. Aaa (beste Qualität) bis D (zahlungsunfähig) reicht, vor Beginn der Finanzkrise falsch eingeschätzt haben. Jetzt wird der Ruf nach staatlichen Vorgaben für die Agenturen laut. Es ist aber zu bezweifeln, ob das hilfreich sein kann. Viel wichtiger wäre es, die Kontrolle des staatlich verordneten Einsatzes von Risikobewertungen zu verstärken. Dieser Einsatz ist in der Vergangenheit so weit gegangen, daß die Urteile der umstrittenen Rating-Agenturen zur verpflichtenden Entscheidungsgrundlage an den Finanzmärkten gemacht wurden. Das muß nun endlich aufhören.


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