© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/07 23. November 2007

"Und keiner mehr kennt mich auch hier"
Von versunknen schönen Tagen: Joseph von Eichendorffs Leben zwischen Staatsdienst und Poesie
Wiebke Dethlefs

Joseph von Eichendorffs äußerer Lebensgang ist keineswegs so "romantisch" wie seine Dichtung, wie sich überhaupt wenig in seinem Charakter von dem seiner Dichtung finden läßt. Er hat nachweislich weder gesungen noch musiziert, noch genußvolle Ferienreisen gemacht und ist (abgesehen vielleicht von den Studienjahren in Heidelberg) niemals gewandert.

Er  kommt am 10. Februar 1788 auf Schloß Lubowitz (heute Lubowice), etwa acht Kilometer nördlich von Ratibor (heute Racibórz) in Oberschlesien zur Welt. Ab 1801 besucht er zusammen mit seinem Bruder das Gymnasium in Breslau. Nach 1803 studieren die Brüder in Halle und Heidelberg. Joseph möchte Jurist werden. 1809 kehrt er nach Lubowitz zurück, verlobt sich mit der vier Jahre jüngeren Luise von Larisch und setzt anschließend sein Studium in Wien fort. In dieser Zeit beginnt er seinen ersten Roman "Ahnung und Gegenwart".

Nachdem er im Februar 1812 sein juristisches Examen erfolgreich abgelegt hat, eilt er im April 1813 nach Hause, um sich dem Lützowschen Freikorps anzuschließen. Er nimmt an wechselnden Feldzügen teil. 1814 versucht er erfolglos, in den preußischen Staatsdienst zu gelangen, jedoch kann er endlich nach seinem zweiten Staatsexamen 1819 Beamter werden: zunächst als Assessor in Breslau und 1821 als Regierungsrat in Danzig beim Oberpräsidium von Westpreußen. Seinem Wirken ist es zu verdanken, daß die baufällige Marienburg in dieser Zeit trotz einer diesbezüglichen Planung Friedrich Wilhelms III. nicht abgerissen wurde.

1817 entsteht "Das Marmorbild", eine phantastische Novelle, die sich später Prosper Mérimée in seiner "Venus von Ille" zum Vorbild nahm. 1822 geht die Familie aller schlesischen Güter verlustig. 1824 siedelt Eichendorff nach Königsberg um, denn Ost- und Westpreußen sind inzwischen zu einer Provinz vereinigt. Seine bedeutendste Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts" entsteht 1826.

Fünf Jahre später wird er zum Kultusministerium nach Berlin gerufen,  allerdings nicht in einer festen Stellung, sondern wechselnd in verschiedenen Ministerien. In der Berliner Zeit verfaßt er den größten Teil seines lyrischen Werks. Wegen schlechter Gesundheit nimmt er 1844 den Abschied aus dem Staatsdienst.

Die letzten dreizehn Lebensjahre sind zunächst von Wanderschaften geprägt. Er hält sich bei Bruder und Schwester in Mähren und Wien auf, besucht noch einmal Danzig, bezieht Wohnungen in Köthen, Dresden und 1849 noch einmal in Berlin. 1855 übersiedelt er zu seinem Bruder nach Neiße, wo seine Frau im Dezember stirbt. Der alte Dichter verliert jeden Lebenswillen. Im Spätherbst 1857 zieht er sich bei einem Spaziergang aufgrund zu leichter Kleidung eine Lungenentzündung zu, an der er am 26. November stirbt. Er ist zusammen mit seiner Frau auf dem Jerusalemer Friedhof in Neiße begraben. Sein Grab überdauerte die Wirren des Jahres 1945 und der Zeit danach.

Schloß Lubowitz ist seit dem Frühjahr 1945 eine Ruine, der Wiederaufbau vorgesehen. Zusammen mit dem verwilderten Schloßpark ist sie ein wahrhaft Caspar David Friedrichsches Bild. In Neiße ist vor dem ebenfalls 1945 zerstörten und nicht mehr aufgebauten Sterbehaus des Dichters am heutigen plac Eichendorffa das in den Nachkriegsjahren abgetragene Denkmal des Dichters mit Hilfe der Gerhard und Erika Simon-Stiftung aus Rinteln in einem Festakt durch den Oppelner Erzbischof Alfons Nossol 2002 neu eingeweiht worden. Schräg gegenüber erfährt des Dichters letzte Ruhestätte intensive Pflege durch die rührige Eichendorff-Gemeinde der Stadt, die sich daneben auch um den Erhalt der friderizianischen Festungsanlage der Stadt kümmert, wo sich bis 1960 eine Eichendorff-Laube befand, die in Kürze wiederhergestellt sein soll.

Eichendorff-Verband Oppeln (Opole), Ortsgruppe Neiße, Leiter Josef Paul Rock (spricht Deutsch), Ul. Konopnicka 13, PL-48304 Nysa, Tel. 00 48 / 77 / 4 31 06 00


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