© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/07 23. November 2007

Karrieristen und Ideologen
Bielefelder Ideenwerkstatt
Richard Stoltz

Politikverdrossenheit" lautete das Thema der "Bielefelder Ideenwerkstatt", die von der Bielefelder Burschenschaft Normannia-Nibelungen am vorvergangenen Wochenende bereits zum dritten Mal veranstaltet wurde. Den Vortragsreigen eröffnete Jürgen Höpfner ("Mittelstand und staatliche Rahmenbedingungen"). Der Mittelständler forderte tiefgreifende Reformen von der Regierung: Neugliederung des Bundesgebietes, Verschlankung der Bürokratie und eine Verbesserung des Schul- und Ausbildungssystems, damit Deutschland international wettbewerbsfähig bleibt.

Der ehemalige Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Karl-Heinz Funke (SPD), warnte, wenn die Politik die Erwartungen der Bürger nicht erfülle und sich immer weiter vom Volk entferne, führe das zu einem schweren Vertrauensverlust. Politiker dürften ruhig Ecken und Kanten haben, wichtig sei aber vor allem Lebenserfahrung und (wirtschaftliche) Unabhängigkeit.

Der NRW-Landtagsabgeordnete Heinrich Kemper (CDU) erklärte, Politiker sollten die Politik nicht als Selbstzweck betrachten, sondern verläßliche und sinnvolle Entscheidungen treffen, die - auch gegen den Druck der Medien oder der eigenen Partei - den Bürgern langfristige Konzepte bieten.

Am Sonntag plädierte der Rechtsanwalt Klaus Kunze dafür, mit plebiszitären Elementen die verkrusteten Parteistrukturen aufzubrechen. Die Parteien hätten sich im Staat überall Macht und Einfluß verschafft, Legislative und Exekutive seien kaum noch zu trennen. Aus einem Staat mit Parteien sei ein Parteienstaat geworden, der nach Kunzes Ansicht totalitäre Züge annimmt.

Der Rechtsanwalt Sascha Jung sprach über die SPD, die ihn wegen seiner Mitgliedschaft in der Münchner Burschenschaft Danubia aus der Partei ausschließen wollte. Es sei ein schlechtes Zeichen, wenn Karrieristen und verbohrte Ideologen in Führungspositionen versuchten, unliebsame Freidenker aus der Partei zu drängen. Diese "Verrohung der Sitten" brachte den Burschenschafter nach mehreren Gerichtsprozessen gegen die SPD dazu, sein Parteibuch endgültig abzugeben.

Den Schlußvortrag hielt die Soziologin Ute Scheuch zum Thema "Wider die undemokratischen Hierarchien - Von der Gefährdung des Parteiensystems". Sie führte aus, das politische System bedürfe dringend einer Erneuerung, um seiner Aufgabe, der Bündelung der Interessen des Volkes und dem Setzen ordnungspolitischer Rahmenbedingungen, wieder gerecht zu werden. Es dürfe nicht als Versorgungssystem für Politiker dienen. Daher sei deren Versorgung zu kürzen und das Mandat auf zwei Wahlperioden zu begrenzen.


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