© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/07 23. November 2007

Reemtsmas Thesen als Dokudrama
Guido Knopps im ZDF plazierte "Wehrmachtsbilanz" als eine Verbrechensgeschichte ist gewohnt subjektiv und wenig quellenkritisch
Stefan Scheil

Einen flauen Auftakt erlebte vorige Woche der ZDF-Fernsehhistoriker Guido Knopp mit seiner aktuellen Filmreihe über die deutsche Wehrmacht. Der überwiegende Teil des Publikums scheint dieser mit immergleicher Zielsetzung und Machart vorgebrachten Geschichtsdeutung inzwischen überdrüssig zu sein und blieb weg.

Die neue Serie Knopps, die eine "Bilanz" ziehen will, knüpft bewußt an die Versuche von Jan Philipp Reemtsmas Hamburger Institut für Sozialforschung an, in seinen Wehrmachtsausstellungen eine Kollektivschuld deutscher Soldaten zu suggerieren. Zu diesem Zweck wurde die Wehrmacht so dargestellt, wie es die Rote Armee in der Tat war. Dafür greift Knopp auf die damals zuletzt vom Institut für Zeitgeschichte in die Diskussion geworfene und inzwischen zurückgenommene Zahl von fünf Prozent der deutschen Soldaten auf, die angeblich an Verbrechen "beteiligt" gewesen seien. Was das heißen soll, bleibt unklar. Dessenungeachtet rechnet Knopp die Prozente anhand der Gesamtzahl der Dienenden hoch und kommt auf etwa 500.000 Beteiligte - die Dunkelziffer wie üblich nach oben offen. Dieses Dunkel ist unvermeidlich, denn bereits die Reemtsma-Ausstellungen hatten letztlich gezeigt, wie schwer es selbst mit starkem Willen und bedeutenden Finanzmitteln ist, den Soldaten und Einheiten der deutschen Wehrmacht einzelne Verbrechen zuzuschieben. So mußte und muß die bloße Behauptung die fehlenden Fakten ersetzen, und wo Fakten beigegeben sind, widerlegen sie nicht selten die behauptete Verbrechensschuld.

Daher agiert die Knopp-Dokumentation häufig im luftleeren Raum. Es dominiert ein antiquiertes Bild von deutscher Alleinschuld, Verbrechen und "Überfällen". Längst haben etwa umfassende Untersuchungen von erhaltenen Feldpostbriefen gezeigt, daß Verbrechen oder Antisemitismus darin keine Rolle spielen. Längst konnten israelische Historiker nachweisen, das selbst die beachtliche Zahl von Soldaten mit jüdischem Hintergrund innerhalb der Wehrmacht von systematischen Judenermordungen nichts wußte.

Der Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Moskau, Bernd Bonwetsch, hat schon vor Jahren festgestellt, die Rote Armee sei 1941 so aufmarschiert, daß Stalin im Juli den Angriffsbefehl hätte geben können, wenn er ihn hätte geben wollen. Das ZDF ignoriert dies wie zahllose andere Fakten. Für Knopp bleibt die UdSSR unverdrossen ein "überfallener" friedlicher Staat. Insofern ist die Berechnung von Verbrechensquoten eigentlich überflüssig, denn die Kernvoraussetzung der ZDF-Geschichtspolitik besteht schließlich darin, den Kampf der deutschen Wehrmacht in diesem 1939 von den Sowjets bewußt mitprovozierten und von den Westmächten schließlich erklärten Krieg als von Anfang an illegitim einzustufen.

Da nun die Alliierten derart im Recht gewesen sein sollen, ist es auch wenig überraschend, wenn Knopp gerade die Produkte britischer Kriegslist zu jenem roten Faden gemacht hat, der sich durch die Filme zielt. Es geht um die von Sönke Neitzel vor Jahren publizierten Abhörprotokolle gefangener deutscher Offiziere in England (JF 14/06), die Knopp in zahlreichen Szenen nachspielen läßt. Sie entstanden keineswegs als korrekte Dokumentation von Generalsgesprächen, sondern wurden durch umfangreiche Manipulation der Gefangenen mittels gefälschter Tageszeitungen und Nachrichten erzeugt sowie durch das Einschleusen von Provokateuren. Dieser Zusammenhang erklärt die grotesken und im Widerspruch zu gesicherten Informationen stehenden Selbstbezichtigungen der Generale, die Knopp herbeizitiert.

Natürlich läßt sich Knopp und mit ihm der Großteil der deutschen Presse die Äußerung des Generals von Choltitz nicht entgehen, den "Auftrag zur Liquidation der Juden (...) bis zur letzten Konsequenz durchgeführt" zu haben. Nur hat von Choltitz nach heutigem Wissensstand nie einen solchen Auftrag bekommen, geschweige denn, daß tatsächlich seine Verantwortung für die Ermordung von Juden belegt wäre. Wenn man dem ZDF nicht getrost eine Portion Unvermögen zugestehen könnte, müßte man glatt von Bilanzfälschung sprechen.


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