© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/07 07. Dezember 2007

Für den unstillbaren Hunger der Motoren
Klimapolitik: Der verstärkte Anbau von Pflanzen für die Biokraftstoffproduktion läßt die Lebensmittelpreise steigen
Fabian Schmidt-Ahmad

Von den Farben her hätte es ein zweiter Parteitag der Grünen sein können. Nur wer genau in das Meer von Grün und Gelb schaute, das den Fachkongreß für Biokraftstoffe vergangene Woche in Berlin erfüllte, der sah einen Unterschied: Es war nicht das Goldgelb der Sonnenblume, sondern das leuchtende Gelb des Rapses, welches das Kongreßzentrum ICC beherrschte. Ein Unterschied, der durchaus wichtig ist. Denn aus Sicht des Umweltschutzes sind Biokraftstoffe keineswegs von vornherein "grün" - so wie die Grünen längst ihre Monopolstellung beim Naturschutz verloren haben.

Da die aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnenen Energieträger im Gegensatz zum fossilen Pendant beim Verbrennen nur zuvor "eingeatmetes" Kohlendioxid CO2 in die Atmosphäre entlassen, sollen sie im ehrgeizigen Klimaschutzprogramm der Bundesregierung eine wichtige Rolle spielen. Man strebe daher einen Biokraftstoffanteil von 20 Prozent bis zum Jahr 2020 an, verkündete Ursula Heinen, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Allerdings sind damit teilweise Konsequenzen verbunden, die alles andere als ökologisch zu nennen sind.

Beispielsweise kann mit einer nachhaltigen Bio-Landwirtschaft kaum der große und in Zukunft weiter zunehmende Bedarf an Biomasse für die Gewinnung von Energieträgern gedeckt werden. Selbst die konventionelle Ausbeutung des Bodens zeigt bereits ihre Schattenseiten. Schon jetzt fehlen beispielsweise weltweit etwa 1,5 Millionen Tonnen Braugerste, denn Energiepflanzen verdrängen traditionelle Anbaukulturen (JF 17/07). Selbst wenn man dies noch als "Luxusproblem" abtun kann, der steigende Energiehunger kann schon bald möglicherweise ganz realen Hunger für andere bedeuten.

So steht schon seit einiger Zeit die Erzeugung von Biosprit aus Öl- und Proteinpflanzen im Ruf, den Markt für Nahrungsmittel oder die für Nahrungspflanzen benötigte Anbauflächen einzuschränken. Auch zusätzliches Ackerland durch die Rodung von Regenwald zu gewinnen, wie in Brasilien oder Indonesien tatsächlich geschehen, scheint hier gerade unter dem Aspekt des Klimaschutzes keine befriedigende Lösung.

Zumindest für Deutschland konnte aber Willi Schulz-Greve von der Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der EU-Kommission diesbezüglich Entwarnung geben. Bisher werde lediglich für Rapsöl eine deutliche Teuerung festgestellt. Allerdings ist dies nicht zwangsläufig der Fall, so der EU-Experte. In den USA, wo man als Grundstoff der Biokraftstofferzeugung vor allem Mais verwendet, konnte man einen konkreten Preisanstieg bis in den Lebensmittelsektor feststellen. In Mexiko kam es Anfang diesen Jahres schon zu massiven Protesten wegen der enorm gestiegenen Tortilla-Preise - das Grundnahrungsmittel wird aus Mais hergestellt. Das ist ein Konflikt, der sich noch zuspitzen könnte. Denn wie Armin Vetter von der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft erläuterte, berücksichtigen die meisten Berechnungen nicht, daß in Anbetracht des Klimawandels in vielen Gegenden auch Süßwasser ein noch knapperes Gut werden wird, als es heute schon ist. Dann konkurrieren aber Nutzpflanzen für Nahrung und für Energiebedarf um die knappen Wasserressourcen.

Auch technische Probleme der Biosprit-Ziele sind nicht zu unterschätzen. Daß 40.000 bereits eingebaute Rußfilter für Dieselfahrzeuge wegen Wirkungslosigkeit ausgetauscht werden müssen, hat mit dem Rapsdiesel nicht zu tun. Aber: Dieselfahrzeuge mit modernen Rußfiltern können nicht mit aufgearbeitetem Frittenöl betankt werden. Viele Biodieselautos erfüllen daher auch nicht die Euro-4 oder 5-Norm, die nötig ist, um ab 2010 in die "Umweltzonen" zu fahren (JF 10/07). Zwar gibt es vielversprechende Innovationen, etwa den "Sundiesel" aus Resthölzern und Stroh (biomass to liquid/BTL) der Firma Choren in Freiberg/Sachsen. Doch auch hier ist die Ökobilanz nur dann positiv, wenn die Rohstoffe keine langen Transportwege erfordern (JF 24/06).

Auch könnte es sein, daß es vor einer Tankstelle Verwirrung gibt, wenn in Zukunft zehn verschiedene Biokraftstoffe zugelassen sein werden, die alle ihre Vor- und Nachteile haben und die sich häufig nicht miteinander kombinieren lassen, wie Thomas Schlick vom Verband der Deutschen Automobilindustrie erläuterte.

Ausgewählte Beiträge des 5. Fachkongresses "Kraftstoffe der Zukunft" im Internet: www.bioenergie.de/kraftstoffe-der-zukunft/index.htm


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