© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/07 14. Dezember 2007

Bessere Zeiten für Landwirte
Agrarpolitik: Die EU-Kommission setzt die begonnenen Reformen konsequent fort / Höherer Absatz ermöglicht Subventionsabbau
Klaus Peter Krause

Die milliardenschwere EU-Agrarpolitik wird weiterreformiert. Dabei stehen drei Bereiche im Mittelpunkt: die staatlichen Direktbeihilfen an die Landwirtschaft, die staatliche Förderung von Agrarprodukten zur Energiegewinnung und die höheren Lebensmittelpreise als Folge der gestiegenen Agrarpreise. Alle drei sind eng miteinander verwoben.

Die direkt gezahlten Beihilfen sind seit 2003 überwiegend nicht mehr an einzelne Agrarerzeugnisse gebunden (Entkopplung), sondern werden als einheitliche Betriebsprämie gezahlt - unter Auflagen zum Gesundheits-, Umwelt- und Tierschutz (Cross Compliance, JF 7/06). Die Landwirte können erzeugen, was und wieviel sie wollen, ohne die jährliche EU-Beihilfe zu verlieren. Sie dürfen lediglich auf zehn Prozent ihrer Betriebsfläche keine Nahrungs- und Futtermittel produzieren (Flächenstillegung), dafür aber Pflanzen zur Energiegewinnung. Energiepflanzen wie Raps dürfen sie auch auf ihren übrigen Flächen produzieren. Dafür bekommen sie dann sogar noch eine Zusatzbeihilfe von 45 Euro je Hektar.

Der Staat fördert den Anbau "nachwachsender" Rohstoffe für die Erzeugung von Kraftstoff, Strom und Wärme als Alternative zu Erdöl, Kohle und Kernkraft - so wie er auch die Stromgewinnung aus Windkraft und Sonnenstrahlung fördert. Da sich das am freien Markt nicht immer rechnet, wird mit Subventionen, staatlich festgesetzten Preisen, Beimischungszwang oder Stromzwangseinspeisung kräftig nachgeholfen. Zusätzliche Triebkraft kommt vom starken Preisanstieg bei Erdöl und Erdgas. Das steigert die Nachfrage nach Anbauflächen und treibt die Bodenpreise weiter hoch.

Daß Landwirte diese neue Anbaualternative gerne aufgriffen, kann man ihnen nicht verdenken. Wenn Raps für Biodiesel mehr einbringt als solcher für Speiseöl, produzieren sie ihn. Doch damit erwächst der Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln eine Konkurrenz (JF 50/07). Höhere Preise für Getreide, Mais und Ölsaaten waren die für Ackerbauern erfreuliche Folge.

Und noch mehr stiegen sie, weil inzwischen die Nachfrage am Weltmarkt stark zugenommen hat - vor allem durch den Wirtschaftsaufschwung in China oder Indien. Derart hohe Preise haben unsere Bauern bisher noch nie erlebt und lange herbeigesehnt. Aber in den Lebensmittelpreisen für die Verbraucher schlägt sich diese Entwicklung nun entsprechend nieder.

Das ruft prompt politische Agitation auf den Plan. Politiker empören sich über unsozial teure Lebensmittel und die "Überförderung" von Biosprit. Dabei sind die Ursachen der Preissteigerung politisch gewollt, nur eben nicht die losgetretenen Folgen. Teils wollte man - durchaus verständlich - die Einkommen der Landwirte verbessern. Teils aber sind - durchaus unverständlich - vor allem ideologische Verbohrtheiten am Werk ("Fort mit den Kernkraftwerken" und "Klimaschutz durch Biomasse"), rechtfertigend ergänzt durch das (im Prinzip richtige) Ziel, die Versorgung mit Energie auf eine breitere Grundlage zu stellen ("Fort mit der Abhängigkeit vom Erdöl").

Aber wohlgedacht ist zu häufig nicht wohlgetan. Dann muß repariert werden. Biosprit wird seit August 2006 besteuert und die Steuer bis 2012 schrittweise erhöht. Sie ist dann ähnlich hoch wie die für fossile Kraftstoffe. Damit verliert Biosprit schon jetzt an Konkurrenzfähigkeit, sein Absatz fiel deutlich zurück. Das hat entsprechende Rückwirkungen auf die Landwirte, die für solchen Sprit den Rohstoff anbauen. In dieser einstigen Zukunftsmusik ist Musik nicht mehr drin. Die Landwirte fühlen sich getäuscht, obwohl ihnen hätte klar sein können, daß eine Subvention keinen Daueranspruch begründet. So kehren sie wieder auf den Boden der finanzpolitischen Tatsachen zurück.

Auch die hektarbezogenen Direktzahlungen (Betriebsprämien) stoßen nun auf Kritik. Sie macht sich an den Zahlungen für die ganz großen Ackerbaubetriebe fest, die jeweils mehrere tausend Hektar bewirtschaften und jährlich von 100.000 bis hin zu vier Millionen Euro als Prämie erhalten. Für sie will die EU-Kommission die Prämie daher kappen. Darüber freilich, ob das berechtigt und sinnvoll ist, läßt sich streiten, wie es auch geschieht. Denn den höheren Beihilfen entsprechen auch höhere absolute Kosten. Doch werden die Direktzahlungen, die als (vorübergehender) Ausgleich für die Abkehr von der verfehlten staatlichen Preisstützung gedacht sind, ohnehin schrittweise gekürzt werden und eines Tages ganz auslaufen. Bis dahin sollte auch den Großen Vertrauensschutz zustehen.

Was die EU-Kommission über die Kappung der Betriebsprämien hinaus vorhat, setzt den Reformschritt von 2003 zur einheitlichen Betriebsprämie konsequent fort und ist von 2013 an vorgesehen. Sie will die Quotensysteme abschaffen. Sie strebt einen völligen Ausstieg aus Interventionskäufen an.

Sie will die "Entkopplung" auf alle Agrarbereiche ausdehnen. Sie will auch die obligatorischen zehn Prozent "Flächenstillegung" für Nahrungs- und Futtermittel streichen, weil diese Anbaubeschränkung im Nachfrage-Boom absurd ist. Sie will von den Betriebsprämien 13 statt bisher fünf Prozent abzweigen und dann jedes weitere Jahr zwei Prozent mehr. Dieses "Modulationsgeld" ist für Projekte außerhalb der Landwirtschaft gedacht und soll die ländlichen Räume wirtschaftlich stärken.

Die gute Absatzlage für Agrarprodukte begünstigt diese Vorhaben. Die Prognose lautet: Biomasse wird zum Erzeugen von Nahrungsmitteln, Viehfutter, Bioenergie und Biowerkstoffen ein knappes Gut, die Agrarpreise bleiben hoch. Die Einkommensstützung für das Gros der Landwirte könnte dann Vergangenheit sein.


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