© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/07 14. Dezember 2007

Fußball-EM 2008 in Österreich und der Schweiz: Die Nerven liegen blank
"Ösi-Piefke-Raufereien"
Richard Hausner

Immer wenn es beim Fußball gegen Österreich geht, scheinen bei den sonst so politisch korrekten deutschen Fußballreportern sämtliche Dämme zu brechen. Gegen Österreich ist beinahe jede abwertende Äußerung erlaubt, die Nationalelf unseres Nachbarn darf bedenkenlos niedergemacht werden, die PC-Regeln sind außer Kraft gesetzt. Da nun Deutschland und Österreich bei der EM 2008 in eine gemeinsame Gruppe gelost wurden, eröffnete Bild einen Boulevard-Krieg. "Freilos bis ins Finale" und "Hilfe, unser EM-Stadion ist nur ein Klagenfurz", tönte das Blatt in respektloser Anspielung auf die nur 30.000 Zuschauer fassende Arena, in welcher Deutschland die Duelle mit Polen und Kroatien austragen soll. Der Berliner Kurier forderte: "Rache für Cordoba!"

Natürlich lassen sich auch die österreichischen Medien nicht lumpen und schlagen entsprechend zurück. "Deutschland kriegt sich vor Lachen über uns 'Ösis' kaum mehr ein", beklagte sich die Zeitung oe24 unter dem Aufmacher "Unsere Revanche für 'Klagenfurz' und 'Freilos'". Die Reaktionen der Leser zu diesem Artikel fielen gemischt aus. Einerseits werden Gelassenheit und ein höheres Niveau als das der Bild eingefordert, andererseits alte Klischees aufgewärmt. Einem Berliner, der die Österreicher in Schutz nimmt und erklärt, er habe in Wien - außer am Westbahnhof - noch nie das Wort "Piefke" fallen hören, wird entgegnet: "Noch nie ghört? wos erzählstn fiar an schmäh? jeda dea amoi in wien woar hot piefke schon amoi gheart. Do sog i eifoch nua: es detschn tuats ma leid."

Austrias "Wunder von Cordoba" entspricht dem deutschen "Wunder von Bern". Der in sportlicher Hinsicht für die bereits ausgeschiedenen Österreicher bedeutungslose 3:2-Sieg gegen Deutschland bei der WM 1978 in Argentinien hatte für die Alpenrepublik eine kaum zu überschätzende psychologische Wirkung. Der sensationelle Triumph über den amtierenden Weltmeister, der erste Sieg seit 47 Jahren über Deutschland, die Revanche für das 1:6-Halbfinal-Debakel bei der WM 1954 - ein Grund zur Freude, aber keine befriedigende Erklärung, warum beispielsweise der zweifache Torschütze Hans Krankl vor dem Spiel meinte: "Wann i an Deitsch'n sieh, wer' i zum Rasenmäher." Es ging in diesem Spiel um mehr, nämlich um die Identitätsfrage Österreichs, die zu dieser Zeit längst nicht geklärt war. Noch in den 1980er Jahren sprach Jörg Haider von der "Mißgeburt der Nation". So gesehen kommt Cordoba eine Funktion als Gründungsmythos der Zweiten Republik zu, die Abgrenzung gegenüber Deutschland manifestiert sich in diesem Ereignis. Cordoba hatte zweifellos für Österreich identitätsstiftenden Charakter, brannte sich wie das "Wunder von Bern" in das kollektive Gedächtnis ein.

Heute stützt es den von der österreichischen Journalistin Eva Menasse ausgemachten "starken Abwehrreflex gegenüber den Deutschen". Sie glaubt sogar einen "allgegenwärtigen Deutschenhaß" auszumachen. Für die Abgrenzung und auch eine gewisse Deutschfeindlichkeit steht jedenfalls die Internetseite www.c78.at, in der es ausschließlich um das Spiel von Cordoba geht. Man freut sich über die 2006 erfolgte Benennung einer Straße nach dem damaligen ORF-Reporter Edi Finger. "Es wäre schön, wenn weitere Cordoba-Helden wie Krankl, Koncilia, Prohaska & Co ebenfalls noch Straßen in ganz Österreich bekommen. Wohl am besten & und schönsten wäre es, wenn dies in der Nähe von Tourismus-Orten wäre, damit unsere lieben Gäste aus Deutschland daran erinnert werden", heißt es dort. Das Diskussionsforum trägt den Titel "Ösi-Piefke-Rauferei".

Echte Raufereien befürchtet Österreichs Innenminister Günther Platter angesichts der brisanten Duelle in der deutschen Gruppe sowie der "Problemszenen" in Deutschland und Polen. 27.000 Polizisten sollen in Österreich für die Sicherheit sorgen. Sie arbeiten mit 800 szenekundigen deutschen Beamten zusammen. Die Boulevard-Zeitungen sollten den Ordnungshütern die Arbeit nicht unnötig erschweren, indem sie die Atmosphäre zusätzlich aufheizen. Lockerungsübungen sind gefragt.


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