© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/07-01/08 21./28. Dezember 2007

Ende eines Prestige-Projektes
Sachsen: Als Finanzminister gründete Georg Milbradt die Landesbank, jetzt könnte sie ihn das Amt des Ministerpräsidenten kosten
Ekkehard Schultz

Wie lange vermag sich der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt noch auf seinem Posten halten? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer Sondersitzung des Sächsischen Landtages in der vergangenen Woche, in der es um die Zukunft der durch gewagte Milliardenspekulationen schwer angeschlagenen Sächsischen Landesbank (Sachsen LB) ging. Denn Milbradt trägt nicht nur als Gründer dieses Kreditinstituts, sondern auch für einen umstrittenen Kurswechsel eine zentrale Verantwortung.

Die Opposition fordert daher seinen Rücktritt. Doch inzwischen verlangt auch der Koalitionspartner der Christdemokraten, die SPD, daß als Resultat der Affäre um die Landesbank "personelle Konsequenzen" gezogen werden müssen. Und selbst die eigenen Parteikollegen gegen zunehmend auf Distanz zu Milbradt. So erklärte beispielsweise Ex-Kultusminister Matthias Rößler vor wenigen Tagen, daß künftig "ein Sachse die Sachsen" regieren solle.

Nach der Wiedervereinigung hatte der damalige sächsische Regierungschef Kurt Biedenkopf Milbradt als Finanzminister nach Sachsen gerufen. Der Finanzprofessor und langjährige Kämmerer im westfälischen Münster setzte sich nicht nur für eine Finanzpolitik ein, nach der Sachsen außer für Investitionen so wenig wie möglich ausgeben sollte, um die Verschuldung gering zu halten, sondern vertrat zugleich die These, daß die neuen Bundesländer einer eigenen Landesbank bedürften, um Kommunen und regionale Unternehmen mit Krediten versorgen sowie die Sparkassen flüssig halten zu können. Doch nur in Sachsen kam es - auch mit Zustimmung der Opposition im Landtag - 1992 zur Gründung einer Landesbank.

Ende der neunziger Jahre traten erstmals größere Schwierigkeiten auf. Denn die Entwicklung des heimischen Mittelstandes war stark hinter den sehr optimistischen Erwartungen zurückgeblieben. Während die privaten Banken in Zeiten des Börsenbooms mit Investmentgeschäften gute Renditen erwirtschafteten, wurde den Sparkassen - und damit auch der Sachsen LB - die weitaus weniger gewinnträchtige Kreditvergabe an Unternehmen und Private überlassen. Damit jedoch auch diese Institute von den Entwicklungen des Investmentmarktes stärker profitieren könnten, schlug Milbradt vor, sie in einer Sachsenfinanzgruppe zu vereinen und mit der gewonnenen Masse ins internationale Geschäft einzusteigen.

Tatsächlich änderte der Verwaltungsrat im Frühjahr 2001 die Geschäftsstrategie der Sachsen LB. Obwohl der damalige Wirtschaftsministers Kajo Schommer (CDU) und ein Bankvorstand - der bald darauf zurücktrat - vor den Konsequenzen eines solchen Schrittes warnten, beschloß das Gremium, das Hauptgeschäft der Bank auf die internationalen Finanzmärkte zu verlagern.

Mit der Konzentration auf solche Geschäfte konnte man zwar auf höhere Renditen hoffen. Doch zugleich waren sie auch weit riskanter: Die Sachsen LB gründete ein irisches Tochterunternehmen, welches hochspekulative Geschäfte mit Immobilien in den Vereinigten Staaten betrieb. Gleichzeitig lähmten jedoch zunehmend politische Vetternwirtschaft und ein Kleinkrieg zwischen Führungskräften die Bankzentrale in Leipzig. Doch Milbradt stellte sich vor die von ihm ausgewählten Manager - die meist mit CDU-Parteibuch ausgestattet waren -, bis sie unter öffentlichem Druck nicht mehr zu halten waren.

2005 sah sich daher schließlich auch die Bankenaufsicht Bafin genötigt, in einem Prüfbericht vor den hohen Risiken der irischen Investmentgeschäfte zu warnen. Zu diesem Zeitpunkt steckten bereits etwa 30 Milliarden Euro in spekulativen Kreditanlagen, ein Vielfaches des zur Verfügung stehenden Kapitals.

Durch die Hypothekenkrise und den Zusammenbruch des Immobilienmarktes in den Vereinigten Staaten geriet die Sachsen LB immer stärker unter Druck. Waren 2006 auf dem Papier noch hohe Gewinne verzeichnet worden, so erfolgte Anfang 2007 ein Notruf der Bank, welche mitteilte, daß die notwendige Liquidität nicht mehr gewährleistet sei.

Nur weil andere Landesbanken 250 Millionen Euro zur Verfügung stellten, war es noch möglich, einen sofortigen Zusammenbruch zu vermeiden. Die Finanzspritze war aber an die Bedingung geknüpft, daß die Landesbank schnellstmöglich einen Partner finden müsse. Tatsächlich wurde am 26. August 2007 eine Grundlagenvereinbarung mit der Landesbank von Baden-Württemberg (LBBW) getroffen, die sich bereit erklärte, die Sachsen LB zu übernehmen. Mittlerweile hat die LBBW zugesagt, die Sachsen LB zum 1. Januar 2008 für 328 Millionen Euro aufzukaufen.

Milbradt will Abschlußbericht abwarten

Damit ist Sachsen allerdings nicht aus der Verpflichtung für die Folgen der gerade noch abgewendeten Pleite entlassen. Denn den Einnahmen durch den Verkauf, die mit den vorgeschossenen 250 Millionen Euro verrechnet werden, stehen mögliche weitere Verluste in Höhe von 350 Millionen Euro gegenüber. Diese müssen beim Ausfall ebenso von Sachsen getragen werden wie die Kosten für weitere riskante Anlagen in Höhe von 2,75 Milliarden Euro, für die Sachsen eine Bürgschaft übernommen hat. Obwohl diese das Land finanziell erheblich belastet, hat Milbradt diese Lösung "unter den gegebenen, schwierigen Umständen" als "akzeptabel" bezeichnet. Der Spielraum für weitere Verhandlungen mit der LBBW sei "ohnehin sehr eng".

Es sieht also nicht gut aus für Milbradt, der einen Rücktritt bislang allerdings ausschloß. Zumindest bis Anfang 2008 will er noch Ministerpräsident bleiben, wenn die von der Staatsregierung eingeschalteten Wirtschaftsprüfer zu den Vorgängen bei der Sachsen LB ihren Bericht vorlegen sollen. Die Frage nach der politischen Verantwortung stelle sich erst nach einer "richtigen und fairen Aufarbeitung", sagte Milbradt.


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