© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/07-01/08 21./28. Dezember 2007

Solider Nachruhm
Sebastian Haffner zum Hundertsten
Thorsten Hinz

Die Feder führte er mit Eleganz, sein Blick besaß psychologische Tiefenschärfe, die Begriffe des studierten Juristen waren klar konturiert. Die ersten Meriten als Publizist und Journalist hatte er sich in Großbritannien verdient, und so waren die Verdruckstheiten des deutschen Journalismus seine Sache nicht. Sein Essay "Anmerkungen zu Hitler" schließlich sichert Raimund Pretzel alias Sebastian Haffner, geboren am 27. Dezember 1907 in Berlin, auch acht Jahre nach seinem Tod einen soliden Nachruhm. Hitler, so heißt es dort, konnte durchaus wirtschaftliche und soziale Erfolge vorweisen, so daß auch Nicht-Parteigänger, denen Inflation und Weltwirtschaftskrise in den Knochen steckten und die die kommenden Katastrophen weder wollten noch ahnten, zu dem Schluß kamen: Es ist nicht alles schlecht in diesem vom Führer regierten Land!

Trotzdem folgte Haffner 1938 seiner jüdischen Verlobten ins britische Exil. In seinem Erinnerungsbuch "Geschichte eines Deutschen" kann man nachlesen, wie unerträglich ihm die rassische Klassifizierung, die Abwesenheit von geistiger Freiheit und von Bürgerrechten in Deutschland waren. In seinen in England verfaßten Analysen steigerte er sich in offenen Haß hinein. Das deutsche Problem, meinte er, ließe sich nur durch die "physische Destruktion" aller "mit dem Wolfsbazillus Behafteten" lösen. 1940 forderte er in dem Buch "Germany: Jekyll und Hyde", das Deutsche Reich müsse in acht Länder aufgeteilt und die letzten 75 Jahre der deutschen Geschichten müßten "ausgelöscht werden". 1942 meinte er gar, die Befriedung Deutschlands setze "die Tötung von bis zu 500.000 jungen Männern" voraus, wobei er offenließ, ob dies durch Zwangsarbeit oder durch die Vollstreckung eines summarischen Kriegsgerichtsurteils geschehen solle.

War das tatsächlich nur der Kriegsatmosphäre und der schwierigen Situation eines deutschen Emigranten geschuldet? Noch 1967 meinte er in der linken Zeitschrift Konkret: "Hitler mußte weg - dabei bleibt es, und deshalb war der Krieg (sogar der zum Massenmord entartete Krieg) notwendig."

Zum Geschichtsdenker hat Haffner es nicht gebracht. Anders als der Historiker Ludwig Dehio oder der Widerständler Adam von Trott zu Solz, die aus einer globalen Perspektive die schwindende Macht Europas und den Anachronismus europäischer Kriege konstatierten, beschränkte sein Blick sich auf das innereuropäische Kräftespiel, nur tauschte er den deutschen gegen den englischen Blickwinkel ein. Zu den Siegern der Geschichte in Gedanken zählt deshalb auch Haffner nicht.


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