© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/07-01/08 21./28. Dezember 2007

Deutscher Mark Twain
Gründung der Stefan-von-Kotze-Gesellschaft
Carsten Beck

Das schriftstellerische Werk des am 11. April 1909 verstorbenen Abenteurers und Wissenschaftsreisenden Stefan von Kotze gehört zu den vergessenen Schätzen, die es zu heben lohnt. Um dieses Anliegen zu fördern, wurde am 8. Dezember in Klein Oschersleben in Sachsen-Anhalt am Grab Stefan von Kotzes in einem feierlichen Akt die Stefan-von-Kotze-Gesellschaft gegründet.

Stefan von Kotze, den am 23. August 1869 geborenen Sproß einer alten Adelsfamilie, die auch eng mit dem Hause Bismarck verbunden war, trieb es schon früh in die weite Welt. Aus seiner preußischen Heimat verschlug es ihn vor allem in die deutschen Überseekolonien nach Afrika und Asien, aber auch nach Australien. Nach abenteuerlichen Jahren unter Siedlern, Farmern und Goldgräbern im australischen Busch oder der Hitze Neu-Guineas kehrte er in seine zu eng gewordene Heimat zurück und griff zur Feder. In seinen Werken, die Titel wie "Südsee-Erinnerungen", "Australische Skizzen" oder "Afrikanischer Küstenbummel" tragen, läßt er in einer frischen Sprache, die auch heute noch alles andere als antiquiert wirkt, vor den Augen des Lesers eine wunderliche und heute untergegangene Welt erstehen.

Weltanschauung durch eigenes "Weltanschauen"

Mit Spott und unerschütterlichem Humor überzieht er die grotesken Versuche, das steinzeitliche Neu-Guinea nach preußischem Vorbild zu organisieren und zu kultivieren. Dabei ist es seine Kunst, die Widersprüche der Kolonialpolitik und des Typus des Abenteurers in immer neuen Pointen aufzulösen. Kotze verallgemeinert nicht oft, aber wenn er es tut, dann schonungslos. Gerade seine humorige Erzählweise kündet von einem Mann, der seine Weltanschauung durch "Weltanschauen" formte. Auf Klappentexten der australischen Ausgaben finden sich Passagen, die ihn als deutschen Mark Twain ankündigen, und auch die Erinnerung an Jack Londons "König Alkohol" ist nicht fern. Denn Spitzbubenstreiche, Abenteuerlust und der Durst der heißen Zonen sind auch bei von Kotze eng verknüpft.

Kurt Tucholsky beschrieb Stefan von Kotze folgendermaßen: "Und Kotze war ein Mann. (...) Ihm schlug in der Brust das ewig unruhige, nie zufriedene, in Sehnsucht emporverlangende Herz des Deutschen. Und in einer Kammer dieses Herzens: Da wohnt der Humor." Als Stefan von Kotze im Alter von nur 39 Jahren verstarb, betrauerten dies Feuilletonisten weltweit als Verlust einer der großen Hoffnungen des neueren deutschen Schrifttums.

Heute ist Stefan von Kotze so gut wie vergessen. Seine Bücher sind ausschließlich antiquarisch erhältlich. Auch in Australien, wo Teile seines Werkes verlegt wurden, kennt ihn kaum einer mehr. Um dies zu ändern, fanden sich im Rahmen der Stefan-von-Kotze-Gesellschaft junge, begeisterte Leser seines literarischen Erbes mit dem durchaus ehrgeizigen Ziel zusammen, seine Hinterlassenschaft wieder ins Bewußtsein der deutschen Leser zu führen. Geplant sind neben Studien zu Leben und Arbeit Stefan von Kotzes auch Neuauflagen seines umfassenden Werkes und Vortragsveranstaltungen. Für den Anfang tagt die Gesellschaft monatlich in Berlin, um die notwendigen Schritte für diese Projekte vorzubereiten. 

Weitere Informationen unter www.stefan-von-kotze-gesellschaft.de 


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