© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/08 04. Januar 2008

Leserbriefe

Zu: "Ohne Bürgerbeteiligung" von Michael Paulwitz, JF 52/07-01/08

Cui bono?

Die Regierung gibt freiwillig (?) den größten Teil ihrer Kompetenzen in fremde Hände, nämlich an das neue "Zentralkomitee" in Brüssel. Unser Grundgesetz, das längst nach der Wiedervereinigung durch eine Verfassung hätte ersetzt werden müssen, wird schamlos unterlaufen, ausmanövriert, sabotiert, also kalt abgeschafft. Cui bono? Normalerweise nennt man so etwas einen Staatsstreich, Hochverrat oder Putsch. Wo bleibt die Bundesanwaltschaft?

Eine solche Entmachtung des Grundgesetzes ist laut Artikel 146 nur dann gestattet, wenn es erstens durch eine Verfassung ersetzt wird, die zweitens in freier Volksabstimmung angenommen werden muß.

Dr. Udo Dietzmann, Mechernich

 

 

Zu: "Unsoziale Marktwirtschaft" von Jens Jessen, JF 52/07-01/08

Mindestlöhne erforderlich

Dumpinglöhne sind zum Schutz der Arbeitsplätze immer abzulehnen. Allerdings muß die Höhe der Löhne in einem gesunden Verhältnis zur Leistung stehen. Privilegien haben sich meist überholt, sind nicht mehr zeitgemäß und müssen revidiert werden.

Überall dort, wo es bisher einen bestimmten Umfang von Arbeitsplätzen gibt, sind Mindestlöhne erforderlich. Geringere Löhne schaffen dort keine zusätzlichen Arbeitsplätze, sondern bauen nur die vernünftig bezahlten Arbeitsplätze ab.

Dort allerdings, wo neue Arbeitsplätze geschaffen werden, kann in einer Übergangsphase versuchsweise weniger gezahlt werden. Wenn diese neuen Arbeitsplätze dann aber von der Öffentlichkeit angenommen wurden, sind auch dort Mindestlöhne erforderlich.

Jürgen Schulz, Buchholz

 

 

Zu: "Sie retteten Deutschland", Interview mit Wilhelm Hankel, JF 51/07, und "Inmitten der Ruinen wieder Leben gestalten" von Christian Vollradt, JF 51/07

Gedenktafel abgelehnt

Ich war 1945 vierzehn Jahre alt und habe die schrecklichen Jahre mit Hunger und Vertreibung sehr bewußt erlebt, darum bin ich den Autoren von Herzen dankbar, daß sie die enormen Leistungen der Trümmerfrauen dem Vergessen entreißen. Es ist unfaßbar, daß der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude eine Gedenktafel mit dem Argument ablehnt, unter den Trümmerfrauen seien auch ehemalige NSDAP-Mitglieder gewesen. Welche Offenbarung seiner Geschichtslosigkeit, welch widerliche Herzlosigkeit. Dankbarkeit zu erwarten, wäre nach all den Geschichtslügen, denen auch er als Nachgewachsener unterlag, ohnehin vermessen, aber abwählen sollte man ihn schon.

Dorothea Kunze, Bensberg

 

 

Zu: "Ein deutsches Wunder" von Thorsten Hinz, JF 51/07

Kein Wunder, sondern Leistung

Ihr Leitartikel über die Aufbaujahre war überfällig. Leider widerspricht aber der Titel der Aussage des Textes. Der Wiederaufbau war, wie sie richtig ausführen, die Leistung der damaligen Generation. Diese Anstrengung und das bewundernswerte Ergebnis darf daher logischerweise nicht als "Wunder" bezeichnet werden, da es sich ja ansonsten nicht um die Leistung der Aufbaugeneration handelt, sondern um ein Geschenk. Genau aus diesem Grunde verwahrte sich schon Ludwig Erhard ausdrücklich gegen den Begriff des "Wirtschaftswunders".

Gernot Schmidt, Delitzsch

 

Dresdner Würdigung

Die jämmerlichen Elite-Figuren, die den Heldinnen des Nachkriegs die Anerkennung verweigern, dürfen sich moralisch mehr als geohrfeigt betrachten - wenn "Moral" für sie überhaupt eine Bedeutung hat! Sofern sich unter den Trümmerfrauen tatsächlich (und dann ganz gewiß in der Minderheit!) Angehörige von NS-Organisationen befunden haben, dann sollte ihnen zugute gehalten werden, daß sie mit ihrer Hände Arbeit eine Wiedergutmachung für das geleistet haben, was ihre Bonzen angerichtet haben.

Im übrigen bin ich immer wieder ebenso fassungslos wie empört, wie oft sogar Sie Ihr Glashaus zerschmeißen, wenn Sie die Geschichtsvergessenheit anderer anprangern, selber aber Mängel erkennen lassen, was die deutsche Geschichte der DDR betrifft. Oder habe ich etwa - trotz eigentlich stets aufmerksamer Durcharbeitung unserer Zeitung - die Erwähnung des ersten Denkmals für die Dresdner Trümmerfrauen von 1952 überlesen? Auf die aberwitzige Diskriminierung dieser Frauen, wie sie die 68er Rotte in Westdeutschland austobt, ist in der DDR meines Wissens niemand auch nur einen Augenblick lang verfallen! Wenn Sie die Dresdner Würdigung verschweigen, begehen Sie dasselbe Unrecht, das Sie bei den Kölner und Münchner Absurditäten beklagen.

Dr. Erhard Glier, Löbejün

 

Es gibt Gedenkstätten

Es gibt bereits Gedenkstätten für Millionen tapferer deutscher Frauen der Nachkriegszeit. Beispielsweise entstand 1995 durch private Initiative neben der Mannheimer Jesuitenkirche ein Reliefstein mit Versen von Ricarda Huch: "Nicht alle Schmerzen sind heilbar, denn manche schleichen sich tiefer und tiefer ins Herz hinein; und während Tage und Jahre verstreichen, werden sie Stein." 2003 zog das niederrheinische Jülich nach: "Allen gewidmet, besonders den Frauen, die im Zweiten Weltkrieg menschliches Überleben ermöglicht und Jülich an alter Stelle wiederaufgebaut haben." Auch männlicher Aufbauhelfer wird gedacht: "Die Trümmerfrauen und Trümmermänner Würzburgs haben durch ihr Tun einen neuen Anfang möglich gemacht" (Würzburg, 2006). Zwei Bronzeplastiken am Eingang des Hafenmarktturms symbolisieren seit 2004 die unbändige Tatkraft jener Männer und Frauen, die das schwäbische Heilbronn aus Schutt und Asche haben wiedererstehen lassen. Dazu passend dreht sich auf der Spitze des Turms ein Phönix im Wind.

Dr. Björn Schumacher, Saarbrücken

 

Damals Land der Deutschen

Den Begriff "Holocaust" in seiner heutigen Bedeutung für das Verbrechen "Endlösung der Judenfrage" habe ich erst 1963 bei einem USA-Aufenthalt dort kennengelernt. Die mir zur Verfügung stehenden Wörterbücher und Lexika bis 1975 kennen den heutigen Begriff "Holocaust" nicht.

Erst Ende der siebziger Jahre ist der Begriff "Holocaust" von den USA nach Deutschland gekommen und seither die Leitlinie der Geschichtserziehung in Deutschland geworden. Damals war die BRD aber schon 30 Jahre alt. Zu der Zeit wußte man noch, daß das deutsche Volk sich im Dritten Reich im Würgegriff der Nazi-Diktatur befand und von der Ermordung der Juden nichts wissen konnte, weil dies im geheimen durchgeführt wurde. Die BRD der Gründerjahre war eine andere als die heutige. Damals war die BRD noch ein Land der Deutschen, heute ist die BRD ein Multikulti-Land. Was sagen eigentlich die zugewanderten eingebürgerten Neu-Deutschen zur Kollektivschuld der Deutschen?

Peter Schleimann, Overath

 

 

Zu: "Das Leben ins Recht setzen" von Dieter Stein, JF 51/07

Widersprüchlich

Der Staat solle endlich aufhören, die Kompetenz der Eltern einzuschränken, statt dessen die subsidiäre Verantwortlichkeit wieder konsequent stärken, schreibt Stein.

Für mich steckt in dieser Formulierung ein Widerspruch - vermutlich aufgrund begrifflicher Unklarheit. Nach meinem Verständnis liegt die originäre Kompetenz und Verantwortung gegenüber Kindern bei deren Eltern, die subsidiäre beim Staat. Dies folgt auch aus dem grundgesetzlich verankerten Prinzip der Subsidiarität staatlichen Handelns: erst die unterste Kompetenzebene, bevor eine höhere eingreift (oder eingreifen muß).

Auf die Aussage des Artikels angewandt: Nicht die subsidiäre Verantwortlichkeit (des Staates), sondern die originäre Verantwortung der Eltern ist zu stärken.

Theo Hirschboeck, Lübeck

 

 

Zu: "Das Überflüssige ist notwendig" von Günter Zehm, JF 50/07

Äpfel mit Birnen verglichen

Sicher ist es richtig, daß das moderne Bauen "langweilig" sei. Es sollte aber folgendes Beachtung finden: Modernes Bauen ist nicht gleich moderne Architektur. Soll man im 21. Jahrhundert wirklich bauen wie zu Zeiten der Renaissance oder des Barock? Ich denke, nein. Jede Zeit hat ihre eigene Art, sich in Architektur auszudrücken, und sollte das auch tun. Ist die moderne Architektur wirklich der vollendete Stumpfsinn? Natürlich nicht. Man muß die ästhetischen Prinzipien der Klassischen Moderne als Reaktion auf die historisierenden Neo-Stile verstehen. Auch soll sich dabei die Gestaltung von der architektonischen Funktion ableiten. Der Autor vergleicht Äpfel mit Birnen. Die Architektur der Moderne basiert auf bestimmten Prinzipien, sie ist kein klar definierter Stil im eigentlichen Sinne, sondern eher eine Epoche.

Thomas Fischer, Naumburg

 

 

Zu: "So ihr nicht werdet wie die Kinder" von Ulrich Beer, JF 51/07

Eine deutsche Antwort

"So ihr nicht werdet wie die Kindlein, werdet ihr das Himmelreich nicht schauen!" heißt der berühmte Satz, den keiner so recht versteht. Aber Ulrich Beer faßt sehr schön unsere Ahnungen zusammen, daß nämlich in der Tätigkeit der Kinder der Schlüssel für unser Glücksgefühl liegt, das wir empfinden, wenn wir ihnen beim Spielen zuschauen, wie es Bruegel so fabelhaft dargestellt hat.

Was tun Kinder den ganzen Tag, wenn sie nicht in Schule und Kindergarten eingesperrt sind? Sie spielen! Sie geben sich autonom und spontan Regeln, sie bestrafen Spielverderber und bilden so den Staat der Gegenwart und Freiheit und werfen ihn weg, wenn er sie langweilt.

Schiller hat in seinen "Briefen zur ästhetischen Erziehung des Menschen" als Grundlage aller Staatsbildung das Spiel als die Tätigkeit des Menschen erkannt, wo er allein und nur in ihr seine Freiheit erlangt, indem er Formtrieb und Sinnes­trieb zur höheren Einheit in der Freiheit und Schönheit führt. Schiller gab in diesem hochphilosophischen Werk eine deutsche Antwort auf die Fragen der Französischen Revolution, bisher nie verstanden und diskutiert in der Politikwissenschaft. Nur im Spiel kann der Mensch die Notwendigkeiten der Vernunft und die der bedingten Natur frei handhaben. Das wäre "junge Freiheit" in der Wirklichkeit!

Dr. Gerhardus Lang, Boll

 

 

Zu: "Österreich als erstes Opfer Hitlers anerkennen" von Alfred Schickel, JF 51/07

Gegen das Gesamtdeutschtum

Die großen Verdienste, die sich Alfred Schickel mit seiner Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt (ZFI) erworben hat, schätze ich sehr hoch ein. Um so mehr verwundert mich, daß er einen Artikel "zu Ehren" von Otto von Habsburg mit im ganzen positiver Grundtendenz veröffentlicht. Als altgewordener CSU-Abgeordneter im Europa-Parlament hat Otto von Habsburg einiges geäußert, was vom allgemein konservativen Standpunkt her vernünftig ist. Aber hier geht es doch um die Zeit vor und unmittelbar nach dem Krieg. Hier hat er sich schwer gegen das Gesamtdeutschtum versündigt durch die Methoden, wie er im Bunde mit dem Ausland die von der überwältigenden Mehrheit in beiden deutschen Staaten gewünschte Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich zu hintertreiben versuchte.

Am 17. Februar 1938 schrieb er an den austrofaschistischen Kanzler Schuschnigg einen Brief, in dem er sich selbst als "legitimen Kaiser Österreichs" bezeichnete, mit einer Menge Ratschläge zu antideutscher und prowestlicher Politik. Etliche davon versuchte Schuschnigg noch zu befolgen, bevor er vom Volkswillen zum Anschluß überrollt wurde.

Nach dem Krieg forderte er in einem mit "Otto von Österreich" unterzeichneten Brief vom 2. Juli 1945 an die amerikanische Delegation bei der Potsdamer Konferenz für die österreichischen Behörden das Recht, die altreichsdeutschen Staatsbürger zu deportieren, da sie eine Geißel für das Land seien. Kein Wunder, daß die USA glaubten, über einen solchen Mann destruktiven Einfluß auf die deutsche Politik ausüben zu können. Diesen Mann sollen die Deutschen diesseits und jenseits von Inn und Salzach ehren? Das kann Schickel doch nicht ernst meinen.

Ernst von Heydebrand, Vallendar

 

 

Zur Meldung: "Polen 1939: 'Übergriffe' auf deutsche Minderheit", JF 50/07

Militäraktion kein Weltkrieg

Die Zeit des Kriegsbeginns habe ich sehr gut in Erinnerung. Von einer deutschen Kriegshetze, wie sie der Filmhistoriker von Moltke behauptet, kann gar nicht die Rede sein. Sie war auch nicht nötig, denn der Wille aller Deutschen, den unerträglichen und eigentlich unvorstellbaren Zustand einer räumlichen Trennung zweier Teile eines Staates nach einem Wiedererstarken nicht mehr hinzunehmen, wenn eine friedlich-schiedliche Lösung durch eine Autobahn- und eine Eisenbahnverbindung mit Ostpreußen möglich war, bedurfte keiner propagandistischen Anregung. Schließlich hatte sich die Wut über den Landraub durch den aufgezwungenen Versailler Vertrag nie gelegt.

Es waren die damaligen Führer Polens, die diese Lösung verweigerten, um England, das Polen Hilfe versprach, aber nie gewährte, einen Kriegsgrund zu geben. Die selbstverschuldete Unterwerfung Polens war eine achtzehntägige Militäraktion. Danach hinderten die Briten durch noch wirkungsschwache Luftangriffe die Glut am Verlöschen. Die Historiker haben nie begriffen, daß der eigentliche Weltkrieg erst 1940 mit dem Einmarsch in Frankreich begann.

Kurt Pötschke, Bad Reichenhall

 

 

Zu: "Reemtsmas Thesen als Dokudrama" von Stefan Scheil, JF 48/07

Realitätsfremde Lachnummer

Dieses neuerliche Elaborat des telegenen Showmasters hätten meine ehemaligen Kameraden und Mitgefangenen in russischen Arbeitslagern höchstens als realitätsfremde Lachnummer ertragen.

Im Grunde geht es doch allein darum, nachfolgenden Generationen die These von der (nicht vorhandenen) Kollektivschuld ihrer Väter und Großväter zu oktroyieren.

Ulrich Hering, Kelkheim

 

 

Zu: "Stille seichte Wasser" von Doris Neujahr, JF 50/07

Frage an uns Deutsche

Die Frage, was das eigentlich für Typen seien, die uns regieren, ist zwar mehr als berechtigt, greift jedoch viel zu kurz. Richtig gestellt müßte sie lauten: Wieso lassen sich die Deutschen eigentlich von diesen Typen regieren? Es heißt, jedes Volk habe die Regierung, die es verdient. Gesetzt den Fall, dies stimme, kann es nur bedeuten, daß unsere politisch-ökonomische Klasse (der Begriff der "Verantwortungselite" verbietet sich hier in jedem Fall) nichts anderes ist als ein Spiegelbild der Gesellschaft, die sie regiert.

Wenn den Deutschen wirklich noch etwas an ihrem Staat und ihrer Zukunft sowohl als Volk wie als freie Individuen läge, würden sie sich nicht derart widerspruchslos fügen. Aber offensichtlich lebt es sich als konsumverrücktes, macht- und damit auch verantwortungsloses Individuum ganz gut. Die Frage nach den Regierenden zu stellen, bedeutet also, die Frage nach den Regierten zu stellen. Aber ob sich das jemand, so ganz illusionslos, traut? Denn machen wir uns nichts vor: Wir lassen uns von einer Horde ehrloser Kleptokraten regieren, die nur ihre eigenen Klasseninteressen im Auge haben. Was aber sagt das über uns Deutsche aus?

Ingo Landsmann, Münster


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