© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/08 04. Januar 2008

Auf dem Weg zum Ersatz-Verfassungsschutz
Geheimdienste: Die Bundeszentrale für politische Bildung wird für den "Kampf gegen Rechts" in Stellung gebracht / Frage der politischen Kontrolle
Peter Freitag

Eine "Projektgruppe" des Bundesinnenministeriums hat laut Spiegel einen Plan zum Umbau des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) vorgelegt, um dessen "operative Leistungsfähigkeit" deutlich zu erhöhen. Weil die Kölner Behörde künftig ihr Hauptaugenmerk auf den islamistischen Terrorismus richten solle, sei unter anderem vorgeschlagen worden, die Beobachtung von "radikalen, aber nicht gewaltorientierten linken oder rechten Gruppierungen" an die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) abzugeben. Dieser Vorschlag zur Ausgliederung von Kompetenzen des Inlandsnachrichtendienstes an eine Einrichtung der außerschulischen Bildung sei jedoch "intern umstritten".

Das Vorhaben verwundert, da noch vor fünf Jahren in einer Selbstdarstellung anläßlich des 50. Geburtstags der in Anlehnung an die Reichszentrale für Heimatdienst zunächst "Bundeszentrale für Heimatdienst" benannten BpB gerade ein gewisser Gegensatz zwischen den Aufgaben dieser Behörde und denen des Inlandsgeheimdienstes betont wurde: "Die Bundesregierung hatte 1952 das Modell der 'Reichszentrale' unter anderem auch deswegen übernommen, um in der jungen, demokratischen Republik ein Gegengewicht zur umstrittenen Neuformierung des Verfassungsschutzes zu bilden, der in der Zeit des Nationalsozialismus Teil eines totalitären Systems gewesen war und entsprechende Vorbehalte hervorrief. Die 'Bundeszentrale für Heimatdienst' sollte eine Staatsbürgerkunde vermitteln, die die Menschen im neuen, noch unbekannten politischen System zu demokratischem Bewußtsein und politischer Partizipation befähigt", jubelte 2002 die BpB-Zeitung Das Parlament.

Aufmerksame Beobachter der Veröffentlichungstätigkeit der Bundeszentrale werden jedoch feststellen, daß mit der Amtsübernahme des jetzigen Präsidenten Thomas Krüger im Jahre 2000 de facto bereits eine Art Ersatz-Verfassungsschutz etabliert wurde. Dabei hat der SPD-Politiker und frühere Senator für Jugend und Familie in Berlin das Hauptaugenmerk auf den "Kampf gegen Rechts" gerichtet.

Rechtsextremismus als Hauptthema

Wie stark die Unausgewogenheit der BpB bereits ausgeprägt ist, zeigt ein Blick auf ihre Internetseite. Dort befindet sich unter dem Oberbegriff "Innenpolitik" ein eigenes Kapitel über "Rechtsextremismus" mit insgesamt 20 Unterkapiteln, zahlreichen "Dossiers", Literaturtips und Verweisen auf weitere Internet­angebote. Ein - schon rein quantitativ - gleichwertiges Angebot zum Thema "Linksextremismus" sucht man vergebens. Und das, obwohl laut eigener Verlautbarungen zu den Schwerpunktthemen der Bundeszentrale "politischer Extremismus" in jeglicher Form gehört.

An erster Stelle in der Rubrik "Literatur- und Linktips zum Thema Rechtsextremismus und Medien" befindet sich der mittlerweile vom Verlag nicht mehr ausgelieferte Sammelband "Die Wochenzeitung 'Junge Freiheit' - Herausforderung für den demokratischen Diskurs und die politische Bildung" der beiden baden-württembergischen SPD-Politiker Stephan Braun und Ute Vogt.

Daß sich die Pläne zur Kompetenz-ausgliederung vom Verfassungsschutz in Richtung Bundeszentrale offenbar in einem Punkt mit denen der SPD-Politiker decken, zeigt ein Blick ins Vorwort des Buches. Dort heißt es zusammenfassend über einen Beitrag, der der Frage nachgeht, "wie sich die schulische und außerschulische Bildungsarbeit mit der JF beschäftigen könne", um Jugendliche "gegen Einflußnahmen durch Medien wie die JF widerstandsfähiger zu machen": "Die ersten Vorläufer des Verfassungsschutzberichts des Bundes wurden als Ausgabe der (von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebenen - P. F.) Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte ... veröffentlicht. Die Herausgeber treten in Zusammenhang mit der Neuen Rechten und der JF für eine Rückbesinnung auf diesen Diskurs ein."

Da nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die JUNGE FREIHEIT nicht mehr in die Verfassungsschutzberichte aufgenommen werden darf, soll diese für Braun und Vogt offenbar nicht akzeptable Leerstelle mittels der Bundeszentrale quasi hinterrücks wieder gefüllt werden. Einige Mitarbeiter des Sammelbands sind auch mit Beiträgen auf der Internetseite der BpB vertreten, darunter Gabriele Nandlinger und Helmut Lölhöffel, beide Redakteure des sozialdemokratischen Organs Blick nach rechts (BNR), dessen Herausgeberin wiederum Vogt ist. In einem Dossier von Gabriele Nandlinger für die BpB "über die tonangebenden rechtsextremen Printmedien" wird gleich zu Beginn klar, daß die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugunsten der JF für die Autorin keine Rolle spielt: "Im Zeitungsständer vor der Tür lagert das Wochenmagazin JUNGE FREIHEIT und unter dem Ladentisch hinter der Kasse die National-Zeitung, die es dezent nur auf Nachfrage gibt.... Rechtsextreme Zeitschriften dienen als publizistisches Bindeglied für die Neonaziszene."

Die juristisch strengeren Maßstäbe in der Beurteilung und Definition politischer Bewegungen, die das dem Innenministerium unterstellte Bundesamt für Verfassungsschutz in seinen Berichten anlegen muß, scheinen offensichtlich für die demselben Dienstherrn untergeordnete Bundeszentrale für politische Bildung nicht zu gelten.

Allein das macht klar, welche Folgen eine stillschweigend vorweggenommene Kompetenzenübertragung von Köln nach Bonn hätte. Angesichts der Breitenwirkung der von der BpB herausgegebenen Publikationen (für Schulen, Bildungseinrichtungen, Verbände und Medien) könnte der "common sense" über das, was als rechtsextrem zu gelten habe, wesentlich stärker beeinflußt werden. Derartige "Verfasungsschutz"-Tätigkeit wäre noch viel stärker als bereits jetzt der Gefahr einer Einflußnahme durch die jeweils politisch dominierende Partei und daher einer willkürlichen Schwerpunktbildung ausgesetzt.


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