© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/08 18. Januar 2008

Genug gekuschelt
Deutschland könnte schon heute zahlreiche kriminelle Ausländer abschieben - tut es aber nicht
Eike Erdel

Die Landtagswahlkämpfe in Hessen und Niedersachsen haben zu einer heißen Debatte um die Bekämpfung der Jugend- und Ausländerkriminalität in unserem Land geführt. Losgetreten hatte der hessische Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) die Debatte in einem Interview Ende letzten Jahres, in dem er unter anderem sagte, "wir haben zu viele kriminelle junge Ausländer".

Es ist kein Zufall, daß sich die CDU gerade jetzt in der heißen Wahlkampfphase medienwirksam mit diesem Problem beschäftigt und schärfere Gesetze fordert. Vielmehr war die Forcierung dieses Themas im Wahlkampf von langer Hand vorbereitet. Es ist daher falsch, dem hessischen Ministerpräsidenten vorzuwerfen, daß er "eigentlich von Herzen froh war, daß dieser schreckliche Vorfall in München in der U-Bahn passiert ist", wie es der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck getan hat. Dieser perfide Vorwurf klingt, als habe der hessische Ministerpräsident Glück gehabt, daß gerade zu diesem Zeitpunkt eine solche Tat geschah und ihm in die Hände spielte. In Wahrheit ist es doch so, daß Roland Koch sich darauf verlassen konnte, daß er sich zur rechten Zeit auf einen solchen aktuellen Fall beziehen konnte, denn die durch jugendliche Ausländer verübte Gewaltkriminalität ist ein alltägliches Problem.

Fraglich ist daher eher, wie ernst der Union das Anliegen wirklich ist, denn das Problem der Jugend- und Ausländerkriminalität ist alles andere als neu. Dennoch hat es bisher für die Union scheinbar keine besondere Priorität gehabt. So hatten die Innenminister sich bei ihrer Konferenz Ende vorigen Jahres überwiegend mit der Frage beschäftigt, wie man eigentlich nicht vorhandenen NPD-nahen Stiftungen und Vereinen den Geldhahn zudrehen und die Scientology-Sekte verbieten kann. Weder vom hessischen Innenminister Volker Bouffier (CDU) noch von seinen Unionskollegen aus anderen Bundesländern wurde zu diesem Zeitpunkt, also nur wenige Wochen vor Roland Kochs spektakulärem Wahlkampfcoup, eine Verschärfung der Abschiebepraxis gefordert.

Erst vergangene Woche, knapp zwei vierzehn Tage vor der hessischen Landtagswahl, haben die Innenminister der Union in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden einen Zehn-Punkte-Katalog zur Verschärfung des Jugendstrafrechts beschlossen. Sie fordern unter anderem die grundsätzliche Anwendung des Erwachsenenstrafrechts auf Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren, die Anhebung der Höchststrafe von zehn auf fünfzehn Jahre, die Einführung eines Warnschußarrestes und die Abschiebung ausländischer jugendlicher Straftäter, wenn diese zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt worden sind.

Dies sind sicher alles notwendige Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugend- und Ausländerkriminalität, nur sind die Forderungen derzeit gegen die SPD nicht umsetzbar. Dennoch kann den Sozialdemokraten nicht die Alleinschuld an den gegenwärtigen Verhältnissen gegeben werden. Auch die Union muß sich vorwerfen lassen, nicht alle bereits vorhandenen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Schon nach derzeitiger Rechtslage ist ein Ausländer zwingend auszuweisen, wenn er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten in den vergangenen fünf Jahren rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von insgesamt mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Bereits jetzt gilt auch schon, daß im Regelfall kriminelle Ausländer ausgewiesen werden sollen, wenn sie zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt worden sind. Bei jugendlichen Ausländern unter 21 Jahren ist die Ausweisung in diesen Fällen zwar nicht zwingend, sondern in das Ermessen der Ausländerbehörde gestellt. Ist der Heranwachsende wegen serienmäßiger Begehung nicht unerheblicher vorsätzlicher Straftaten, wegen schwerer Straftaten oder einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt worden, dann ist wiederum die Ausweisung regelmäßig vorzunehmen. Halten sich die Eltern rechtmäßig im Bundesgebiet auf, ist eine Ausweisung bei Minderjährigen allerdings nur bei einer verhängten Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren möglich. 

Aber auch jetzt schon kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Bei Ausländern allerdings, die sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, ist eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung möglich. Hier hat eine Abwägung mit der Verfestigung des hiesigen Aufenthaltes stattzufinden. Aber schon eine einzige vorsätzliche Straftat beeinträchtigt die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Möglichkeit der Ausweisung besteht also theoretisch schon nach gültiger Rechtslage, wenn ein Ausländer nur eine einzelne vorsätzliche Straftat begeht und die Besorgnis besteht, er werde wieder Straftaten begehen. Gewalttaten, Sachbeschädigungen, Raub oder Diebstahl können durchaus die öffentliche Sicherheit und Ordnung schwerwiegend beeinträchtigen. 

Die vielen Ausnahmeregelungen zu den grundsätzlichen Ausweisungsmöglichkeiten erschweren eine Ausweisung in der Praxis, verbieten sie aber nicht. Daher ist es zu begrüßen, wenn die zwingende Ausweisung schon bei einem Jahr Haftstrafe vorzunehmen ist, wie es die Union jetzt fordert. Aber trotz aller Einschränkungen besteht schon heute in vielen Fällen die Möglichkeit, kriminelle Ausländer auszuweisen. Hätten die Ausländerbehörden auch in den unionsgeführten Bundesländern ihr Ermessen in der Vergangenheit anders ausgeübt und kriminelle Ausländer konsequenter ausgewiesen, wären einige durch Ausländer begangene Straftaten verhindert worden. Bei konsequenter Anwendung des Ausweisungsrechts hätte einer der beiden Münchner Täter nicht mehr im Land sein müssen.

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