© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/08 18. Januar 2008

Ein Windei von Verschwörtungstheoretikern
Der frühere MAD-Chef Helmut Komossa sorgt mit Anspielungen auf einen "geheimen Staatsvertrag" und die "Kanzlerakte" für Verwirrung
Hans-Joachim von Leesen

Manche Maßnahmen unserer Regierungen und der sie bildenden Parteien sind vielen Bürgern unverständlich. Wer davon ausgeht, daß die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland die Interessen Deutschlands vertreten sollen, für den ist manches regierungsamtliche Handeln ebenso rätselhaft wie manches vom Bundestag beschlossene Gesetz, weil einige nur schwer den Nutzen für unser Land und seine Bewohner offenbaren. So fragen sich viele, warum in der offiziellen, von zahlreichen staatlichen und parteinahen Institutionen seit Jahrzehnten verbreiteten Geschichtspolitik mit solcher Beharrlichkeit auf eine angebliche "deutsche Alleinschuld" am Zweiten Weltkrieg verwiesen wird, während doch eine inzwischen umfangreiche seriöse Geschichtsforschung belegt, daß der Krieg "viele Väter hatte". Da verhielten sich die Regierungen - egal welcher politischen Richtung - der Weimarer Republik ganz anders. Man fragt sich auch, warum sich die amtliche Geschichtsdarstellung darauf beschränkt, deutsche Kriegsverbrechen zu betonen, während die der anderen nicht nur verschwiegen, sondern aktiv unterdrückt oder gar geleugnet werden.

Kopfschüttelnd registrieren manche, daß die Bundesregierungen seit Jahrzehnten eine Einwanderungspolitik betreibt, die nicht danach ausgerichtet ist, ob die Einwanderer Deutschland nützen. Und unverständlich ist es auch, daß in der Bundesrepublik Hunderttausende von Kindern abgetrieben werden, was zwar de jure verboten, de facto aber geduldet wird, und das, obwohl die deutsche Bevölkerung in beängstigendem Maße schrumpft. Angesichts solcher für Deutschland typischer Verhältnisse fragen sich viele Bürger: Woran liegt das? Und manche glauben die Antwort gefunden zu haben, wenn man als Erklärung eine internationale Verschwörung anbietet, in der unsere Regierenden gefangen sind.

Verschwörungstheorien gibt es viele, von den angeblichen "Protokollen der Weisen von Zion" bis zum Bilderberger Kreis. Wer daran glauben will, der ist kaum davon abzuhalten, doch wird dadurch die Lage unseres Landes kaum verbessert, denn solche Verschwörungstheorien lähmen in der Regel jede Abwehrkraft, da man sich in einem nicht durchdringbaren Spinnennetz zu befinden scheint.

In den letzten Monaten ist eine Variante der Verschwörungstheorien in die Öffentlichkeit getreten, die allerdings nicht neu ist. In dem Buch "Die Deutsche Karte", erschienen 2007 im Ares-Verlag in Graz, schreibt der ehemalige Amtschef des Militärischen Abschirmdienstes der Bundeswehr, Generalmajor a. D. Gerd Helmut Komossa: "Der Geheime Staatsvertrag vom 21. Mai 1949 wurde vom Bundesnachrichtendienst unter 'Strengste Vertraulichkeit' eingestuft. In ihm wurden die grundlegenden Vorbehalte der Sieger für die Souveränität der Bundesrepublik bis zum Jahre 2009 festgeschrieben, was heute wohl kaum jemandem bewußt sein dürfte. Danach wurde einmal der 'Medienvorbehalt der alliierten Mächte über deutsche Zeitungs- und Rundfunkmedien' bis zum Jahr 2099 fixiert. Zum anderen wurde geregelt, daß jeder Bundeskanzler Deutschlands auf Anordnung der Alliierten vor Ablegung des Amtseides die sogenannte 'Kanzlerakte' zu unterzeichnen hatte. Darüber hinaus blieben die Goldreserven der Bundesrepublik durch die Alliierten gepfändet."

Daß der Autor früher Chef eines der größten deutschen Geheimdienste war, gibt der Veröffentlichung Gewicht. Es wird gefragt, ob der "Geheime Staatsvertrag" und die "Kanzlerakte" parallel zum Grundgesetz gültig sind. Was steht in diesen Geheimdokumenten? Wozu müssen sich die jeweiligen Bundeskanzler verpflichten? Ist Deutschland denn nicht seit der Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrages durch die Außenminister der vier alliierten Siegermächte, DDR-Ministerpräsident und -Außenminister Lothar de Maiziere und Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher im Beisein des sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow am 12. September 1990 in jeder Beziehung souverän?

Was hat es mit dem Vorbehalt der alliierten Mächte über deutsche Medien bis 2099 auf sich? Ist das etwa der Grund dafür, daß unsere Zeitungen   mit wenigen Ausnahmen wie gleichgeschaltet wirken? Schreiben ihnen die Siegermächte immer noch vor, daß sie auch jene Maßnahmen der Regierung publizistisch zu unterstützten haben, die nicht im Interesse Deutschlands sind? Was steckt hinter den "Enthüllungen"  des ehemaligen Chefs des Militärischen Abwehrdienstes?

Die JUNGE FREIHEIT hat Generalmajor a. D. Komossa gefragt. In seinem Antwortbrief vom 7. Dezember 2007 erläutert er: "Meine Bemerkung zu Seite 21 und 22 von 'Die Deutsche Karte' kann tatsächlich mißverstanden werden. Man könnte es so verstehen, als würde ich meinen, daß die der Bundesregierung von den westlichen Mächten auferlegten Verpflichtungen gegenüber den Alliierten, die alliierten Vorbehalte, bis heute noch Gültigkeit hätten, daß es zum Beispiel den 'Medienvorbehalt' noch gäbe und der Kanzler eine Verpflichtung abgeben müßte. Das habe ich aber nicht gemeint. Mit diesen kurzen Bemerkungen hatte ich lediglich darauf hinweisen wollen, daß es damals solche Vorbehaltsrechte gab, was wohl heute kaum jemandem bewußt sein dürfte. Hinsichtlich der Vorbehaltsrechte benutzte ich dabei das sogenannte 'BND-Papier', das mir dienstlich zugänglich war, was ich aber nicht bewerten wollte und konnte. Auch heute weiß ich nicht, ob es echt oder Fälschung ist. Letzteres ist zu vermuten. Dieses in dem Buch nicht zu vermerken, war sicherlich ein Fehler. (...) Es war nicht meine Absicht, mit diesem Hinweis auf die 'Rechte der Alliierten' den Eindruck zu vermitteln, als würden diese heute noch wirksam sein."

Generalmajor Komossa überließ der JF eine Kopie des Dokuments, auf das er sich stützte. Auch wer kein Geheimdienstspezialist ist, stutzt zumindest bei der Randnotiz "Original bitte vernichten!": Hier hat offenbar jemand, der die Sütterlinschrift nicht beherrscht, ungelenk anhand einer Schreibvorlage einen Buchstaben mühsam an den anderen gereiht.

Dieselbe angebliche "VS-Verschlußsache" tauchte bereits vor acht Jahren auf. Die Unabhängigen Nachrichten berichten, sie hätten versucht, den damals angegebenen Urheber, einen "Prof. Dr. Dr. James Shirley", aufzuspüren, der darüber in einem Buch berichtet haben soll, das in den USA in einem Verlag der Hearst-Gruppe erschienen sei - vergeblich.

Man liegt also nicht falsch, wenn man das neuerliche Auftauchen der VS-Verschlußsache für ein Windei hält. Was es allerdings mit dem Verbringen der deutschen Goldreserven in die USA auf sich hat, das sollte endlich von der Bundesregierung der Öffentlichkeit mitgeteilt werden.

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