© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/08 25. Januar 2008

CDU droht Verlust der absoluten Mehrheit
Hamburg: FDP fällt als Koalitionspartner dauerhaft aus / Zwei Rechtsparteien werben um Wähler / Wahl zur Bürgerschaft am 24. Februar
Arnold Steiner

Neben Hessen und Niedersachsen wird zu Beginn des neuen Jahres auch in Hamburg ein neues Landesparlament gewählt werden. Der bisher mit absoluter Mehrheit regierende Erste Bürgermeister Ole von Beust (CDU) wird nach allen bisherigen Umfragen die Hansestadt künftig nicht mehr allein regieren können. Es wird also mit Spannung zu erwarten sein, wie sich am 24. Februar die Mehrheitsverhältnisse in der Hamburger Bürgerschaft verschieben. Für den Fall seiner Niederlage hat von Beust jedenfalls bereits angekündigt, sich aus der aktiven Politik zurückzuziehen.

Die in der Hansestadt traditionell starke SPD geht mit dem Zeit-Herausgeber Michael Naumann als Spitzenkandidaten ins Rennen. Die Nominierung des ehemaligen Kulturstaatsministers war durch Generalsekretär Hubertus Heil erzwungen worden, nachdem parteiinterne Querelen um die Nominierung des Spitzenkandidaten in dem mysteriösen Verschwinden von rund 1.000 Stimmzetteln bei einer Mitgliederbefragung über den Wunschkandidaten der Basis im Vorjahr gipfelten.

In der Bürgerschaft ist zudem noch die Grüne Alternative Liste (GAL) vertreten, die in Hamburg von einer einkommensstarken liberalen Klientel getragen wird und längst schon die Rolle der FDP übernommen hat. Die Liberalen schaffen es offenbar nicht mehr, ihre klassische Wählerschaft zu bedienen, und verlieren daher kontinuierlich an die GAL. Angesichts dieses grundsätzlichen Problems erstaunt es, daß gerade die FDP um ihren Spitzenkandidaten Hinnerk Fock in der Wirtschaftsmetropole Hamburg keine näherliegenden Themen für den Wahlkampf findet als die Forderung, das Nichtrauchergesetz wieder abzuschaffen.

Für Spannung im Kampf um die Wählerstimmen sorgt hier wie dort die Linkspartei. Sie hat mit ihrer Ankündigung, im Falle des zu erwartenden Einzugs in die Bürgerschaft eine rot-grüne Minderheitenregierung zu tolerieren, die etablierten Parteien in helle Aufregung versetzt. Während die Hamburger Parteispitze der SPD weiterhin auf ihrem Standpunkt beharrt, auf keinen Fall mit der Linken zusammenzuarbeiten, werden an der Parteibasis durchaus Sympathien zu den Linksaußen gehegt. Die CDU hingegen wittert Morgenluft und sieht die Kreuzchen verängstige Wechselwähler, die kein Rot-Rot-Grün wollen, schon bei sich.

Angesichts des neuen CDU-Mottos "die Mitte" verwundert es nicht, daß sich auch rechts der CDU Parteien etablieren können. Wie die Schill-Partei in Hamburg 2001 eindrucksvoll zeigte, können solche Parteien besonders in den Stadtstaaten entscheidenden Einfluß auf die Sitzverteilung im Parlament nehmen. Auch für die aktuelle Wahl steht es dem Wähler offen, sich nach rechts zu orientieren. Prominentester Anwärter, um in die Fußstapfen des Ronald B. Schill zu treten, ist der ehemalige Innensenator und Beust-Vertraute Roger Kusch mit seiner Partei "Rechte Mitte Heimat Hamburg". Neben exotischen Themen wie Kuschs persönlichem Steckenpferd, der Legalisierung der Sterbehilfe, kann er als ehemaliger Innensenator vor allen den Trumpf "innere Sicherheit" spielen. War dieses Thema unter anderem durch die stark zunehmenden Messerattacken rund um die Reeperbahn ohnehin in Hamburg präsent, so hat es durch die deutschlandweite Debatte um Jugendkriminalität noch mal stark an Brisanz gewonnen. Nun werden auch von Bundespolitikern und diversen Länderfürsten Maßnahmen gefordert, die Kusch schon lange in seinem Programm verankert hatte. So wird in Kuschs Grundsatzprogramm schon seit Mitte 2007 gefordert, kriminelle Ausländer konsequent abzuschieben. Das Jugendstrafrecht will Kusch sogar ganz abschaffen.

Ebenfalls um die Gunst konservativer Wähler wirbt die Zentrumspartei mit dem ehemaligen Innensenator Dirk Nockemann. Sie wendet sich unter anderem gegen den "Multikulti-Blödsinn" und setzt sich für eine bessere Bildungspolitik ein.

Wie weit die CDU hingegen schon in der Mitte angekommen ist, zeigen die Avancen, die der Erste Bürgermeister von Beust der GAL bezüglich einer Regierungskoalition macht. Abgesehen von wenigen Streitpunkten wie etwa der geplanten Elbvertiefung rückt mit diesen Annäherungsversuchen das erste schwarz-grüne Bündnis auf Länder­ebene in greifbare Nähe.

Ein weiteres Schwerpunktthema in der Elbmetropole ist die Zukunft des Schulsystems. Während die CDU ein zweigliedriges Schulsystem einführen will, in dem die Gymnasien erhalten bleiben und daneben regionale Stadtteilschulen gegründet werden sollen, baut die SPD auf die Einheitsschule unter dem Motto "Schule für alle". Zwar gibt es auch in der SPD mittlerweile Überlegungen, an den Gymnasien festzuhalten, wenn die Eltern dies wollen, allerdings soll ein Sitzenbleiben dann nicht mehr möglich sein. Wie dieses uneinheitliche System jedoch in der Praxis zu realisieren ist und wie sich das neue Schulsystem mit dem Leistungsgedanken vereinbaren läßt, bleibt im dunkeln.

Die erste Schlappe für die Wahlverantwortlichen gab es schon im Vorfeld. Die geplante Einführung eines elektronischen Wahlstifts, der eine Stimmenauszählung weitestgehend überflüssig machen sollte, scheiterte aus Sicherheitsgründen. Neben den fünf Millionen Euro, die durch den Senat für das Projekt zur Verfügung gestellt wurden, werden weitere Kosten fällig, denn die nun doch notwendigen rund 15.000 Wahlhelfer können sich auf ein von 30 auf 100 Euro erhöhtes "Erfrischungsgeld" freuen.

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