© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/08 25. Januar 2008

Rote Parteien radikal abgestraft
Österreich: ÖVP, FPÖ und BZÖ legen in Graz zu / Grüne drittstärkste Kraft / SPÖ und KPÖ stürzen ab
Hans B. von Sothen

Der FPÖ, die in der letzten Wahlkampfphase versucht hatte, Stimmung gegen den Islam zu machen, ist es nicht gelungen, den rechten Rand zu mobilisieren", freute sich der linksliberale Standard. "Dem Populismus lassen sich Grenzen ziehen - und er lohnt auch für die, die ihm anhängen, nicht unbedingt. Die FPÖ hat mit ihrer Verteufelung des Islam ja nicht einmal bei den eigenen Anhängern punkten können", hieß es am Tag nach der mit Spannung erwarteten Wahl zum Grazer Gemeinderat auf der Kommentarseite. "Graz: Islam-Attacken ohne Erfolg", so pflichtete die bürgerliche Tageszeitung Die Presse am Montag bei.

Dabei hatte die FPÖ um drei Prozentpunkte auf 11 Prozent zugelegt und zwei Sitze im Gemeinderat und sogar einen Sitz im Stadtsenat (der Grazer Regierung) gewonnen. Das war nur wenig unter den Werten der seriösen Meinungsumfragen und klar über dem selbstgesteckten Ziel von "10 Prozent plus X". Den Grazer Freiheitlichen galt das Hauptinteresse der Medien, denn FPÖ-Spitzenfrau Susanne Winter hatte eine Woche vor der Wahl die Heirat des islamischen Propheten Mohammed mit einer Minderjährigen als nach heutigen Rechtsvorstellungen "kinderschänderisch" bezeichnet und sich den Islam "hinter das Mittelmeer" zurückgewünscht (JF 4/07).

Ein leidenschaftlicher Aufschrei fast sämtlicher Medien und Parteien war die Folge. Selbst Jörg Haiders BZÖ fragte daraufhin pflichteifrig, was denn nun den österreichischen Steuerzahler der Polizeischutz von Susanne Winter koste - ein angebliches islamistisches Drohvideo war auf der US-Internetplattform Youtube aufgetaucht. Im Wirbel um die Islam-Kritik ging der Sieger des Wahltages, der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl, etwas unter. Nach dem Erfolg seiner ÖVP vor fünf Jahren konnte die bürgerliche Partei gegen alle Vorhersagen nochmals um 2,1 Prozent zulegen: Die Schwarzen kamen am Sonntag auf 38,2 Prozent. Die ÖVP besetzt nun 23 Sitze im 56köpfigen Gemeinderat. Die Sozialdemokraten, die die zweitgrößte Stadt Österreichs lange Jahre mit beeindruckenden Mehrheiten regierten, verloren weitere 6,1 Prozent - sie stürzten auf 19,8 Prozent ab und sind nur noch mit 11 Gemeinderäten vertreten. Der farblose SPÖ-Spitzenkandidat Walter Ferk, der mit 30 Prozent gerechnet hatte, trat noch am Wahlabend von allen Parteifunktionen zurück. Auch die Kommunisten stürzten dramatisch um 9,6 Prozentpunkte ab: Ohne ihr beliebtes Aushängeschild Ernest Kaltenegger kam die KPÖ nur noch auf 11,2 Prozent. Einen Teil der linken Stimmverluste von insgesamt 15,7 Prozent konnten die Grünen auffangen, die in der Uni-Stadt Graz von 8,3 auf 14,5 Prozent zulegten. Nach dem Grazer Proporzsystem wird nun die ÖVP mit vier Sitzen in der Stadtregierung vertreten sein und die SPÖ mit zwei. Grüne, KPÖ und FPÖ erhalten je einen Sitz. Beobachter halten Schwarz-Grün, die Wunschkoalition Nagls, für die wahrscheinlichste Konstellation. Die orangene FPÖ-Abspaltung BZÖ unter Gerald Grosz kam auf überraschende 4,3 Prozent und zwei Sitze im Gemeinderat. Ihnen waren von den Meinungsforschern nur etwa 3 Prozent vorhergesagt worden, was BZÖ-Chef Peter Westenthaler zu der Bemerkung veranlaßte: "Sperrt eure Institute zu und geht Kühe melken."

Daß die FPÖ aber "beim Wähler abgeblitzt" ist, wie das linke Boulevardblatt Kurier schrieb, ist indes wohl eher Wunschdenken. Denn das BZÖ "wilderte" mit den Themen Asylbetrug oder Kampf gegen organisierte Bettelei erfolgreich im FPÖ-Terrain. Nagl griff ebenfalls FPÖ-Themen auf. Auch die FPÖ-Einzelergebnisse zeigen interessante Trends: In den wohlhabenden Vierteln von Graz (etwa St. Leonhard und Geidorf) zeigt sich, daß die Freiheitlichen zum Teil sogar leicht verloren haben. Die ÖVP und Grüne haben hier stark zugelegt. In den Problemvierteln mit hohem Ausländeranteil (Lend, Gries, Gösting, Puntigam) hat Schwarz-Grün hingegen teilweise verloren. Ähnlich schaut die Tendenz bezeichnenderweise auch bei der SPÖ aus. Im einzigen Stadtteil, in dem die SPÖ ihre Mehrheit mit 27,8 Prozent knapp behauptet hat, im traditionellen Arbeiterviertel Lend, steht die FPÖ mit 13,4 Prozent an dritter Stelle. Das FPÖ-Spitzenergebnis mit 17,1 Prozent gab es im industriell geprägten Brauereistandort Puntigam, wo das BZÖ mit 7 Prozent ebenfalls sein Spitzenergebnis einfuhr.

Ob nun mit dem BZÖ auch bei kommenden Wahlgängen gerechnet werden muß, wie Westenthaler meint, bleibt abzuwarten. Bei der Landtagswahl am 9. März in Niederösterreich (wo erstmals auch 16- und 17jährige abstimmen dürfen) kann das BZÖ nur antreten, wenn bis 8. Februar die notwendigen 50 Unterstützungsunterschriften je Bezirk plus Wahlvorschlag vorliegen. Auch die KPÖ hat dort wenig Chancen, weshalb die Grazer Ergebnisse keinesfalls einen Bundestrend darstellen. Auch die auf 56,3 Prozent gesunkene Wahlbeteiligung relativiert die bundespolitische Prognosetauglichkeit der steirischen Wahl.

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