© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/08 01. Februar 2008

"Grenzen dicht!"
Die USA wählen einen neuen Präsidenten, stehen aber vor einem alten Problem: der Einwanderung
Moritz Schwarz

Herr Professor Hanson, Sie haben 2003 das einwanderungskritische Buch "Mexifornia" veröffentlicht. Was paßt Ihnen an der Entwicklung im Süden der USA an der Grenze zu Mexiko nicht?

Hanson: Oh, da fällt mir so einiges ein! Zum Beispiel, daß dort die Tore sperrangelweit offenstehen für jede Art terroristischer Infiltration. Daß wir illegale Einwanderung aus Mexiko belohnen, während wir legale aus Asien, Afrika oder Europa benachteiligen. Daß wir für Mexiko die Funktion eines Überlaufventils übernehmen, so daß es dort niemals zu den für das Land notwendigen Reformen kommen wird. Daß wir mit all dem die Entstehung eines chauvinistischen Tribalismus zulassen, einer Art "Rassenindustrie", die versucht, die Anwesenheit von 15 Millionen illegalen Ausländern in eine Art politische Bewegung zu transformieren. Und daß die billige Arbeitskraft der Illegalen verhindert, daß unsere eigenen Arbeiter über Tarife verhandeln bzw. sich organisieren können. Genügt Ihnen das fürs erste?

Um Mißverständnisse zu vermeiden: Sie sind an sich kein Einwanderungsgegner.

Hanson: Was ich fordere, ist Assimilation. Sie ist sozusagen die Voraussetzung für Einwanderung: legale Einreise, Integration, Verschmelzung durch Heirat - und vor allem eine überschaubare Zahl an Einwanderern, die bereit sind, Sprache und Leitkultur ihres neuen Vaterlandes zu akzeptieren.

Und Assimilation findet nicht statt?

Hanson: Wenn die Entwicklung so weitergeht, dann haben wir irgendwann dreißig bis vierzig Millionen nicht assimilierte illegale Mexikaner im Lande.

Und?

Hanson: Ist das Ihr Ernst? Schauen Sie auf den Balkan, nach Ruanda den Irak oder sonstwohin, um das zu gewärtigen, was uns dann in Kürze bevorsteht. Im Südwesten der USA gibt es bereits ganze Städte und Gemeinden, die quasi in einer Apartheid leben: Dort wird kein Englisch mehr gesprochen, und die Mehrheit der Bewohner sind bereits mexikanische Nationalisten.

Wieso lassen die USA diesen Prozeß zu?

Hanson: Die libertäre, wirtschaftlich orientierte Rechte einerseits will billige, ausbeutbare Arbeitskräfte zur Verfügung haben, und die Linke andererseits schafft sich auf diesem Wege neue Wähler. Die Mehrheit dazwischen war dagegen in den letzten dreißig Jahren wie paralysiert: zu angsterfüllt, um zu widersprechen, weil sie dafür wahlweise von der akademischen und politischen Linken als "Rassisten" und von den Eliten, die das Wall Street Journal lesen, als "Protektionisten" oder "Nativisten" gegeißelt werden.

Nativisten?

Hanson: Der Nativismus ist eine politische Richtung, die sich gegen Einwanderung und für die Rechte der Autochthonen stark macht. Freilich ist damit in den USA nicht die indianische Urbevölkerung gemeint, sondern die weiße, relativ homogene Bevölkerung mit vornehmlich angelsächsischen bzw. nordeuropäischen Wurzeln, wie wir sie zu Zeiten der Unabhängigkeitserklärung und Staatsgründung hatten.

Welche Maßnahmen müßte Washington Ihrer Ansicht nach nun ergreifen?

Hanson: Was wir brauchen, sind Zäune, Wachmannschaften, ein fälschungssicheres Ausweiswesen, Strafen für Arbeitgeber, die Illegale beschäftigen, einen öffentlichen Dienst, der seine Dienste in keiner anderen Sprache als in Englisch anbietet, unbedingtes Beharren auf Legalität, Sprachkompetenz und Integration. Kurzum: Grenzen dicht! Denn damit hört erstens der Zustrom an Zuwanderern auf, und zweitens können die bereits im Lande befindlichen Einwanderer beginnen, sich zu assimilieren, und werden als einheitlicher Block verschwinden.

Präsident Bush gilt als konservativer und patriotischer Präsident, ein rechter Republikaner. Warum haben die USA das Problem unter ihm nicht in den Griff bekommen? Was ist von seinem Nachfolger zu erwarten?

Hanson: Tatsächlich stimmen die Linken im Grunde doch mit Bush überein - sie wünschen ihn doch lediglich aus den politischen Erwägungen der Post-Irak-Ära weg. Und für die Rechten ist Bush ein Sprachrohr der Wall Street, der die Arbeitgeberbelange über die Sorgen der Mittelklasse stellt.

Auch Europa ist einer starken Einwanderung ausgesetzt - allerdings nicht durch Hispanos, sondern durch Muslime.

Hanson: Darf ich Ihnen einen Rat geben: Begrenzen Sie die Zuwanderungszahlen! Und werfen Sie Ihre Ideen von einem kulturellen Mischmasch über Bord! Aber schleunigst! Forcieren Sie statt dessen Integration und Assimilation! Zeigen Sie Stolz auf Ihre Kultur, so daß die Einwanderer durch deren bloße Präsenz davon überzeugt werden, sie anzunehmen! Dulden Sie keine illegale Einwanderung, sondern ächten Sie sie! Dulden Sie keinen Tribalismus und Illiberalismus unter dem Deckmantel der Toleranz!

Das sagen Sie mal den europäischen Eliten!

Hanson: Diese Eliten sind in mehrfacher Hinsicht verantwortlich für die Probleme mit der Einwanderung: Erstens, nach den ursprünglichen ökonomischen Gründen war es ihr Multikulturalismus, der zum Hauptgrund für das Zulassen der Einwanderung wurde. Zweitens ermöglichte diese Haltung, daß sich die Zuwanderer hierzulande Kopien der mißlichen Lebenswelten schufen, vor denen sie von zu Hause weggelaufen waren: Parallelgesellschaften. Drittens: Obendrein versichern unsere Eliten den Einwanderern nur allzugerne, daß deren Probleme und Pathologien nichts weiter als unsere Schuld sei, die wir so schlechte Gastgeber sind. Und viertens, die meisten Einwanderer, die die Hand, die sie füttert, auch noch beißen, lernen dies nach dem Vorbild der westlichen Eliten, die ihrem eigenen Staat, ihrer Kultur und Gemeinschaft entfremdet sind und dieses von reiner Anspruchshaltung geprägte Verhalten vorleben.

Sollten bzw. können die USA und Europa für das gemeinsame Problem eine gemeinsame Lösung anstreben?

Hanson: Was die USA angeht, so habe ich immer noch die Hoffnung, daß wir den Zustrom noch einmal stoppen und die übrigen Einwanderer durch die Kraft unserer Kultur absorbieren werden. Bei Europa habe ich dagegen meine Zweifel, ob Ihnen das noch gelingen wird. In Europa scheinen sich die Spannungen zu verschärfen: zwischen einer kleinen, aber bestimmenden linken bzw. linksliberalen Elite und einer wachsenden radikal rechtsgerichteten Bewegung unter den kleinen Leuten, die nach fremdenfeindlichen Lösungen verlangt. Deshalb sehe ich entweder ein muslimisches Eurabia voraus oder ein Europa einer rechten Gegenbewegung, die sehr häßlich werden könnte.

Ist die Frage nach einer gemeinsamen Lösung des Problems sinnvoll, denn sie unterstellt die Existenz des "Westens", der Einheit von USA und Europa. Gibt es diese überhaupt?

Hanson: Europa und die USA verbindet ein gemeinsames Erbe. Und daß wir koalieren, wenn ein gemeinsamer illiberaler Feind auftritt, wie etwa einst das sowjetische Imperium oder nun der radikale Islam. Aber nach dem Fall der UdSSR ist Europa auf einen säkularen, sozialistischen, pazifistischen Pfad abgewichen. Im typisch hochmütigen und arroganten Bewußtsein der Aufklärung hat es geglaubt, den Himmel auf Erden schaffen zu können, und jeden, der solche Zielvorstellungen nicht teilen wollte, als "rückständig" betrachtet. Nun erlebt Europa das Resultat seiner Arroganz. Während es die USA als illiberal beschimpft, wächst unsere Bevölkerung und die europäische schwindet. Europa ist heute zum Gefangenen seiner selbst, seines ungeheuren säkularen Appetits und seiner wachsenden Ansprüche an Wohlstand und "Gerechtigkeit" geworden. Wenn aber einmal die Bürger nicht mehr nur die Gleichheit der Chancen, sondern die Gleichheit der Verhältnisse einfordern, dann, so Platon, gibt es kein Grenze mehr für das, worin sich eine Regierung einmischt, und für das, was das Volk von ihr einfordert. Dann will sie - und soll sie - alles, alles, alles regeln, um das "Glück" der Bürger zu gewährleisten.

Antiamerikanismus ist also der Hochmut der Europäer gegenüber den USA, die sich weigern, unsere politische Vorstellung von einer besseren Welt zu teilen?

Hanson: Zum Teil wurzelt die antiamerikanische Animosität in altem Neid und Eifersucht über die verlorene europäische Vormachtstellung, zum Teil auch in der unterschwelligen Erinnerung der Europäer daran, daß die USA das Produkt einer Mischbevölkerung von europäischen Auswanderern - will sagen: Abschaum - sind. Und daß es diesem Abschaum doch tatsächlich gelungen ist, eine der größten und mächtigsten Nationen der Welt zu gründen - und zwar als Antwort auf die europäische Klassengesellschaft. Aber wenn man eine Gesellschaft erschafft, die Status auf Geld gründet statt auf Immaterielles wie einst Herkunft, heute das Bewußtsein, die bessere Welt zu repräsentieren, dann entsteht nicht nur ein ungeheuer dynamisches Moment, sondern auch etwas - in den Augen der Europäer - Grobes, eine Grobheit, für die ihr uns zum Beispiel gern als "Cowboys" tituliert und die euch sozusagen zur Weißglut treibt. Aber stellen wir uns einmal vor, wir würden unsere Truppen aus Europa zurückziehen. Dann würde Europa sehen, daß Leute wie Putin, Ahmadinedschad oder Zawahiri nicht einfach die Buhmänner der USA sind, mit denen wir euch lediglich erschrecken wollen und mit denen man ja sonst ganz gut auskommen kann.

Die EU löst solche Probleme eben lieber multilateral im Rahmen der Uno.

Hanson: Kraftvoll und reich, aber militärisch schwach zu sein wie eben Europa, bedeutet seine Ostereier im Körbchen der Uno und anderer multilateraler Organisationen aufzubewahren, die bekanntlich so korrupt wie schwächlich sind. So bietet man seine reifen, niedrighängenden Früchte jedem, der vorbeikommt, zum Pflücken an: ob es nun der radikale Islam, der Iran, Putins Rußland oder China ist. Gleichzeitig dämonisiert Europa die USA für ihren Skeptizismus gegenüber diesen fragwürdigen multilateralen Institutionen. Es ist unendlich schade, daß die Europäer ausgerechnet gegenüber der liberalen Nation so von unterschwelligem Haß erfüllt sind, die sie gegen die Kräfte verteidigt, die keinen Moment zögern würden, Europa zu vernichten, wenn sie nur könnten.

Die EU sieht sich eben nicht als Nationalstaat neuen Typs wie die USA, sondern vielmehr als Keimzelle einer "besseren", einer einigen Welt: Stichwort "one world".

Hanson: Die gegenwärtig herrschende Vorstellung von der EU als Keimzelle eines Utopia - minimale Verteidigung, Sozialismus, Atheismus, Agnostizismus und kontinentale Kontrolle - ist das Rezept für die Katastrophe. Denn wenn die Europäer die Nation aufgeben, der Glaube der Menschen also nichts Transzendentes mehr kennt, keine Verpflichtung mehr gegenüber einer Idee oder eine Nation, und also keine Überzeugung mehr stark genug ist, daß man ihr etwas Wesentliches zu opfern bereit ist, dann verfällt eine Gesellschaft in Stasis, Lethargie, und schließlich ist sie nicht mehr in der Lage, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen.

Sie meinen, ohne das Religiöse verliert ein Staat die Fähigkeit zur Souveränität?

Hanson: Religiöser Glaube meint, eine Idee davon zu haben, für etwas zu leben, was größer ist als man selbst. Für den Atheismus dagegen ist das hier auf Erden alles. Warum aber sollte man dann noch Kinder bekommen? Sein Land aufbauen? Oder gar vielleicht sein Leben dafür opfern? Wir sorgen uns um Europa, denn es entwickelt eine neue westliche Kultur. Und die sieht so aus: Heiraten mit 35, kein, vielleicht ein Kind haben und Vollversorgung von der Wiege bis zur Bahre. Jeder Mensch braucht einen Gott. Die Europäer haben Gott den Rücken gekehrt und statt dessen Rousseau oder Foucault übernommen. Atheismus ist verderblich genug, wenn er dem goldenen Kalb der reinen Vernunft huldigt, aber wenn schließlich selbst noch Logik und Rationalismus geopfert werden - und zwar dem postmodernen Relativismus -, dann wird der Verlust Gottes einem Volk unausweichlich zum Verhängnis.

Ist den USA eine manipulierbare, machtvergessene "one world"-EU nicht ganz recht?

Hanson: Ich glaube, die Amerikaner würden die Herausforderung und die Spannung der Konkurrenz eines starken Europa bevorzugen. Nicht zuletzt liegt doch darin auch eine Hoffnung für den Westen. Denn die Durchsetzung einer "one world"-EU würde bedeuten, daß die Urquelle der westlichen Kultur langsam versiegt und Europa sich winselnd in die Irrelevanz auflösen würde. Wer möchte dem schon beiwohnen? Wissen Sie, die Amerikaner lieben etwa Sarkozy: für seine muskelspielende Rhetorik und das Wiedererglänzen eines stolzen Frankreichs.

Was müßten die Europäer anders machen, um ein Machtfaktor wie die USA zu werden?

Hanson: Öffnen Sie Ihre Volkswirtschaften für den freien Handel, reduzieren Sie das Ausmaß an Verwaltung und Regierungsaufblähung, schrauben Sie die Anspruchshaltung Ihrer Bürger gegenüber dem Staat herunter, betreiben Sie die Wiederaufrüstung Ihres Militärs, schließen Sie eine engere Allianz mit den USA, Großbritannien, Australien und Japan und anderen westlichen Nationen - und vor allem: Redefinieren Sie die EU! Streben sie eher nach einer Art Commonwealth of Nations als einer Super-EU nach Vorbild eines allmächtigen "Großen Bruders". Und vergessen Sie nie: Der radikale Islam haßt Sie doch noch mehr als uns, denn er betrachtet euch als schwach und gottlos, uns dagegen als christlich und stark. Irgendwann kommt der Moment, an dem entweder der Fluch der Demographie oder der schiere Haß auf die westlichen Werte euch aufwecken wird - oder Europa, wie wir es kennen, wird verloren sein.

 

Prof. Dr. Victor Hanson ist Autor des umstrittenen einwanderungskritischen Buches "Mexifornia". Der Historiker, Jahrgang 1953, lehrte bis zu seiner Emeritierung an der California State Universität in Fresno sowie als Gastprofessor in Stanford, Hillsdale und an der US-Marine-Akademie in Annapolis. Er ist Kolumnist des US-Nachrichtenmagazins National Review und publizierte in diversen Zeitungen wie der New York Times, dem Wall Street Journal, dem American Spectator oder dem Weekly Standard. Außerdem veröffentlichte er zahlreiche Bücher. Für Diskussionen sorgten vor allem seine beiden Bände "Carnage and Culture: Landmark Battles in the Rise of Western Powers" (2001) und "Mexifornia. A State of Becoming" (2003).

 

"Mexifornia": Der Begriff ist der radikal linksgerichteten Chicano-Bewegung entliehen, der politischen Organisation der in den Vereinigten Staaten lebenden Mexikaner und ihrer Nachfahren, auch Hispanics oder Latinos genannt, die vor allem in den sechziger und siebziger Jahren reüssierte. Er bezeichnet den südlichen Teil der Vereinigten Staaten von Amerika bzw. des US-Bundesstaats Kalifornien, der mittlerweile durch legale und illegale Einwanderung von Mexikanern erneut hispanisiert ist. Gebräuchlich sind auch die Namen "Calexico" oder "Amexica". Die damit entstandene, inoffizielle Mischsprache der Region nennt sich Spanglish. - Eine europäische Entsprechung wäre etwa "Eurabia" für ein muslimisiertes Europa.

 

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