© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/08 01. Februar 2008

Die zweite Rückkehr des Mailänder Cavaliere
Italien: Nach dem Sturz von Premier Prodi wird nach einem Ausweg aus der Krise gesucht / Appell von Industrievertretern
Paola Bernardi

Addio Prodi", verkünden theatralisch die Wahlplakate, die nach der Abstimmungsniederlage des italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi nun das Zentrum von Rom zieren. In Auftrag gegeben hat sie die rechte Oppositionspartei Alleanza Nazionale (AN) von Ex-Vizepremier Gianfranco Fini. Nachdem Prodi vorigen Donnerstag im Senat das Vertrauensvotum mit 156 zu 161 Stimmen verloren hat, mußte er zurücktreten. Denn trotz Warnungen seiner Freunde aus der Demokratischen Partei (PD) begab sich der Ex-EU-Kommissionspräsident in den Senat zur Abstimmung, wo er nach dem Koalitionsaustritt der katholischen Kleinpartei Udeur unter dem zum Rücktritt gezwungenen Justizminister Clemente Mastella längst über keine Mehrheit mehr verfügte (JF 5/08).

Doch bis zuletzt schien der Premier davon überzeugt, erneut mit Hilfe von Überläufern auch diese heikle Vertrauensabstimmung zu gewinnen. Sogar der postkommunistische Staatspräsident Giorgio Napolitano soll ihm geraten haben, freiwillig zu demissionieren, um die Bildung einer Übergangsregierung zu ermöglichen. Prodi scheiterte übrigens nicht nur an der Udeur, sondern zwei weitere liberaldemokratische Senatoren stimmten gegen ihn. Zudem scherte noch der hochangesehene 72jährige Senator Domenico Fisichella aus, der erst kürzlich von der AN zu Prodis Mitte-Links-Koalition gewechselt war.

Nun munkelt man, daß Prodi mit seiner Trotzhaltung vor allem seine persönliche Wut gegen den PD-Generalsekretär Walter Veltroni auslassen wollte. Denn nach Auffassung von Prodi hat in Wahrheit nicht Mastella die Krise ausgelöst, sondern der Postkommunist Veltroni, der mit seiner (aus Ex-Kommunisten, linken Christdemokraten und Liberalen) neugegründeten PD eigenständig bei den nächsten Wahlen antreten will (JF 31-32/07). Zudem habe Veltroni in jüngster Zeit immer wieder mit Oppositionsführer Silvio Berlusconi verhandelt.

Die 61. Regierung Italiens mit einer Koalition von zwölf Parteien scheiterte nach nur 19 Monaten. Mit der hauchdünnen Mehrheit von nur 25.000 Stimmen war Prodi angetreten und seitdem zum Spielball der kleinen kommunistischen Parteien (PRC, PCI) geworden, die unter dem derzeitigen Wahlgesetz einen überproportionalen Einfluß haben. Sie konnten jedes Gesetz kippen. Der Ministerpräsident konnte nur lavieren und sich von Abstimmung zu Abstimmung hangeln.

Nun liegt der Schlüssel in den Händen von Napolitano. Hektisch werden seit dem Wochenende Sondierungsgespräche mit allen Parteivorsitzenden geführt. Ein wildes Tauziehen um die Macht hat begonnen. Die Frage lautet: Übergangsregierung oder sofortige Neuwahlen? Sollte es keine Einigung geben, müßte der Staatspräsident das Parlament auflösen und Wahlen innerhalb von 70 Tagen ausrufen. Fast alle Parteien der bisherigen Koalition treten für eine parteiübergreifende Regierung ein, die die dringend notwendigen Reformen - besonders die des Wahlgesetzes - voranbringen sollen. Doch je länger sich die Verhandlungen hinziehen, desto mehr verhärten sich die Fronten. Alles rotiert wieder einmal um den Mailänder Fininvest-Unternehmer und mehrmaligen Ex-Premier Berlusconi - an ihm kommt derzeit keiner vorbei.

Der Oppositionschef will hingegen "keine Regierung der nationalen Einheit, sondern eine Regierung, die sofort ans Werk geht, legitimiert durch das Votum der Wähler". Man solle keine neuen Energien darauf verschwenden, "lange Listen für Reformen aufzustellen", sondern den "Wahlkampf, der schon begonnen hat", mit Macht fortsetzen. Notfalls will er die Straße mobilisieren.

Die größten Parteien der Mitte-Rechts-Opposition - Berlusconis Forza Italia, die AN und die rechtspopulistische Bürgerbewegung Lega Nord von Umberto Bossi - sind für sofortige Wahlen. Denn der Sieg der Rechten wäre laut Umfragen derzeit so gut wie sicher. Während nun der Machtpoker weitergeht, melden sich auch die Industrievertreter zu Wort. "Im Senat hat sich ein trauriges Spektakel mit schändlichen Szenen abgespielt. Wir alle müssen 'Schluß' sagen", erklärte der Präsident des Arbeitgeberverbandes Confindustria, Luca Cordero di Montezemolo. Italien brauche aber "Parlamentswahlen mit einem neuen Gesetz. Das Land kann sich keine neue Phase aus instabilen Koalitionen leisten", so der Fiat-Vorstandsvorsitzende.

Denn die Wirtschaftsbilanz der scheidenden Regierung ist dürftig. Italien droht im laufenden Jahr ein empfindlicher Wachstumseinbruch. Schon hat der EU-Wirtschaftskommissar Joaquín Almunia Amann von einem besorgniserregenden Rückschlag bei der Reduktion der exorbitanten italienischen Staatsverschuldung gewarnt. Wirtschaftsfachleute schließen zudem eine Rezession nicht aus. Aufatmen nach dem Abgang der Regierung Prodi herrscht vor allem unter den Mittelständlern des produzierenden Gewerbes im Norden des Landes und unter den Freiberuflern.

Sie wurden überproportional besteuert, ohne dafür greifbare Verbesserungen der Infrastruktur zu erhalten. Der massive Steuerdruck lag bei der Mittelklasse über 50 Prozent - und dies bei einer anhaltenden hohen Teuerungsrate auf allen Gebieten. Zuletzt mußte die Regierung sogar einen Preisüberwacher einsetzen. Nur geeint im Haß auf Berlusconi habe die Regierung Prodi "die fatalen Fehler begangen, gegen ganze Sparten der Gesellschaft zu regieren, als seien sie Staatsfeinde. Während seiner Regierungszeit standen Freiberufler, Selbständige und Millionen von mittleren Unternehmern im Visier", schrieb die Wirtschaftszeitung Italia Oggi.

Foto: Gescheiterter Prodi: Freiberufler, Selbständige und Mittelständler hoffen auf einen Regierungswechsel

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