© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/08 01. Februar 2008

Erfolg bei Seeadler und Wanderfalken
Umwelt: Der Erhalt der Vogelbestände tritt trotz intensiver Bemühungen von Naturschützern auf der Stelle
Volker Kempf

Der Verlust der Artenvielfalt, den Rachel Carson 1962 in "Der stumme Frühling" literarisch aufzeigt, ist ein Thema, das Deutschland nachhaltig beschäftigt. Denn es hat sich als Unterzeichner der "Konvention über die Biologische Vielfalt" dazu verpflichtet, den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen. Doch ist damit eine für die Artenvielfalt nachhaltige Nutzung Deutschlands gewährleistet?

Um die Frage zu beantworten, wäre es zu komplex, die Entwicklung der Bestände aller Arten auch nur der Wirbeltiere zu erfassen. Deshalb wird mit Indikatoren gearbeitet, nämlich mit der Erfassung von Vogelbeständen, die empfindlich auf die Nutzung der Lebenswelt reagieren. Konkret geht es um die Bestandsentwicklung von 64 ausgewählten Vogelarten. Wie dem Bericht "Vögel in Deutschland 2007" zu entnehmen ist, gingen hierzulande 1990 bis 2005 die Vogelbestände leicht zurück. Sie sind damit weit von der angestrebten Bestandsverbesserung um 25 Prozent bis 2015 entfernt.

"Viele häufige Vogelarten sind auf dem Rückzug: In den letzten 15 Jahren sind von 64 in Deutschland weitverbreiteten Arten 23 seltener geworden! Eine Entwarnung kann daher für Vogelarten wie Haussperling, Mehlschwalbe und Kiebitz nicht gegeben werden: ihre Bestände nehmen kontinuierlich ab." Die Abnahme von Vogelbeständen zwischen 1990 und 2005 in Deutschland verteilt sich unterschiedlich auf die Bereiche Agrarland, Wälder, Siedlungen, Binnengewässer, Küsten und Meere sowie die Alpen.

Die größten Probleme bereiten die an Küsten brütenden Vögel wie der Seeregenpfeifer und die Zwergseeschwalbe, welche "gezielte Schutzmaßnahmen" benötigen würden, "um in Deutschland überleben zu können". Seit zehn Jahren nähmen im Wattenmeer rastende Vogelarten, wie Knutt und Eiderente, die sich überwiegend von Muscheln ernähren, "in alarmierender Weise" ab. Aber auch das Agrarland ist durch die intensive Landwirtschaft für Schreckensmeldungen gut. Denn hier sind Bestandszunahmen die Ausnahme. "Klare Gewinner unter den am Boden brütenden Feldvögeln finden sich kaum: Nur die Wiesenschafstelze hat es geschafft, intensiv genutzte Ackerflächen als Lebensraum zu erschließen."

Bei in Hecken brütenden Vögeln halten sich Zu- und Abnahmen von Beständen in etwa die Waage. Ein Vergleich des Bestandstrends der Grauammer in den Großschutzgebieten Brandenburgs mit außerhalb von Schutzgebieten in den ostdeutschen Bundesländern gelegenen Bereichen zeige, daß sich die Umstellung auf eine ökologische Landwirtschaft positiv auswirke. Diese Umstellungsmöglichkeit wird daher für die Erhaltung besonders seltener Vogelbestände im Agrarland empfohlen.

Der Siedlungsraum zeige bei den Vogelbeständen insgesamt einen Abwärts­trend. "Hier wirkt sich insbesondere der Verlust dörflicher Strukturen mit Streuobstwiesen, Bauerngärten und Kleinviehhaltung durch Nutzungsaufgabe negativ aus. In den Städten erschweren Gebäudesanierungen und die Überbauung von Brachflächen vielen Vogelarten die Nistplatzsuche." Hauptbetroffene sind Haussperling, Mauersegler, Mehl- und Rauchschwalbe, Türkentaube und Girlitz. Die Haubenlerche sei "fast überall verschwunden". Aber einige Bestände hätten sich an Gärten und Parks gut angepaßt, vor allem eine Reihe ursprünglicher Waldvogelarten wie Rotkehlchen, Mönchsgrasmücke, Zaunkönig sowie Grün- und Buntspecht. Auch die zusammen mit dem Haussperling häufigste Vogelart des bebauten Lebensraums, die Amsel, zeitige leicht anwachsende Bestände. Die Elster sei im Siedlungsraum häufiger, dafür im Agrarland seltener geworden.

Die Waldbewirtschaftung sei naturnäher geworden, was insbesondere dem Grünsprecht nutze. In diesem Vogelschutzsektor seien die Zielvorgaben für einen Bestandserhalt im Jahre 2015 insgesamt erreicht und müßten nur noch gehalten werden. Auch die sauberer gewordenen Binnengewässer machten Bemühungen beim Artenschutz erfolgreich. Denn Kranich, Seeadler, Wanderfalke und Schwarzstorch hätten sich in ihren Beständen gut erholt. Der Schutz von Nistplätzen habe zu diesen Erfolgen erheblich beigetragen - und läßt, was der Bericht nicht erwähnt, Klagen der Binnenfischer häufiger werden.

Konkrete Naturschutzarbeit zahlt sich dem Bericht zufolge also aus, stößt aber auf Grenzen, wo sich der Lebensraum verschlechtert. Von daher sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehbar, daß das Ziel einer Bestandsverbesserung der ausgewählten 64 Vogelarten bis 2015 - gegenüber dem Wert von 1990 - erreicht werde. Mehr Anstrengungen durch Politik und ehrenamtliche Helfer im Naturschutz hält daher die besagte Studie für die nächsten Jahre für unerläßlich. Ob sich daraus für die zahlreichen Naturschutzorganisationen wie den Nabu, die die Studie unterstützten, eine verstärkte politische Einmischung folgern läßt, wird nicht problematisiert.        

Die Studie "Vögel in Deutschland 2007" des Bundesamtes für Naturschutz, des Dachverbands Deutscher Avifaunisten und der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten findet sich im Internet: www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/ themen/monitoring/ statusreport2007_eBook.pdf

Foto: Seeadler: Wie der Kranich ein Beispiel für erfolgreichen Artenschutz www.oeaw.ac.at

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