© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/08 01. Februar 2008

"Fortwährende Räume der Melancholie": Entlang der Spur der verwüsteten Seelen
Haß, Gewalt, Tod - die Kinder des Tschetschenienkriegs
Christoph Martinkat

Rußland, Tschetschenien und Inguschetien - drei Schauplätze des Tschetschenienkriegs. Pirjo Honkasalo, eine finnische Filmemacherin, hat sich dort umgesehen. Was sie fand, war alles andere als beruhigend. Ihre Dokumentation "Drei Räume der Melancholie" erzählt, wie sich die Atmosphäre von Haß, Gewalt und Tod auf die Seelen der Kinder legt.

Schauplatz eins: Kadettenschule der St. Petersburg vorgelagerten Insel Kronstadt. Hier werden Kinder zwischen zehn und vierzehn Jahren - allesamt Waisen oder Halbwaisen - zu Soldaten erzogen. Das vermittelte Feindbild ist eindeutig: Der Gegner ist tschetschenisch. Die meisten Kadetten sind Kinder in Tschetschenien gefallener Soldaten. Drill und die Erziehung zum Haß machen die Maximen der Ausbildung aus, denn Haß erleichtert das Töten.

Schauplatz zwei: Grosny, eine Stadt in Agonie. Der Krieg hat tiefe Narben hinterlassen. Endlose Ruinenlandschaften, riesige Müllberge, streunende Hunde. Auf den Straßen sind immer wieder kleine Kinder zu sehen: Waisen, in Lumpen gekleidet, die mit Waffenattrappen spielen, nach Feuerholz suchen oder sich für ein paar Rubel in einen von giftigen Gasen durchdrungenen Ölbrunnen abseilen.

Schauplatz drei: Ein Flüchtlingslager in Inguschetien nahe der tschetschenischen Grenze. Hier kümmert sich die Muslimin Hadizhat um tschetschenische Waisenkinder. Zu ihren Schützlingen gehört die elfjährige Aslan, die nach mehrfachen Vergewaltigungen mitten im Winter in einem Pappkarton gefunden wurde. Oder der zwölfjährige Adam, den seine geistig verwirrte Mutter aus dem Fenster ihrer Hochhauswohnung werfen wollte. Der andauernde Krieg hat auf beiden Seiten der Front eine Spur der Verwüstung hinterlassen, der physischen und schlimmer noch der psychischen. Sie sorgt dafür, daß der Haß zwischen Russen und Tschetschenen immer aufs Neue Nahrung erhält.

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