© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/08 08. Februar 2008

Raubzüge der Perspektivlosen
Österreich: Die Kriminalitätsstatistik 2007 weist einen bedenklichen Zuwachs der Jugenddelinquenz aus
Michael Howanietz

Das österreichische Innenministerium legte die Kriminalitätsstatistik 2007 mit der obligatorischen Begleitmusik vor, in der Selbstlob naturgemäß die erste Geige spielt. Betrachtet man die nackten Zahlenreihen ohne Kenntnis der Hintergründe, die unter anderem in einer veränderten Erfassung der Delikte zu sehen sein dürften, scheint dieses Selbstlob teilweise gerechtfertigt. 594.240 gerichtlich strafbare Handlungen bedeuten "lediglich" eine Steigerung von 0,8 Prozent gegenüber 2006.

Auf den unbedarften ersten Blick scheint auch die unwesentlich auf 39,4 Prozent erhöhte Aufklärungsrate für eine Effizienzsteigerung in der Polizeiarbeit zu sprechen. Daß dem nicht so ist, verlautet aus den Reihen ebenjener, deren Tätigkeit das Innenministerium als "verbessert" darstellt. So berichten Polizeibeamte aller Ebenen von der Summierung der von derselben Tätergruppe begangenen Straftaten zu einem Delikt - in der Kriminalitätsstatistik. Bei der Aufklärungsquote würden die Straftaten dann wieder separiert behandelt, was zu groben Verzerrungen erstens der Gesamtzahl der Delikte, zweitens der Effizienz der Ermittlungstätigkeit führe.

Nach Bundesländern gegliedert, weisen vor allem die nordöstlichen Regionen (Burgenland +4,82 Prozent, Oberösterreich +7,06 Prozent) und der äußerste Westen (Vorarlberg +7,49 Prozent) einen deutlichen, der Gesamtdarstellung gegenläufigen Anstieg strafrechtlich relevanter Vergehen auf. Ungeachtet der kolportierten Manipulationen gibt der beträchtliche Anstieg bei Jugendkriminalität und Sittlichkeitsdelikten zu denken. 50 Prozent mehr Anzeigen gegen Jugendliche erhalten besondere Brisanz, wird die zunehmende Brutalisierung der Taten ins Kalkül gezogen. Raub und schwerer Raub, also bewaffnete Überfälle, weisen Zuwachsraten von 267 bzw. 151 Prozent auf. Schuld daran trügen, so die Einschätzung einschlägiger Experten, Perspektivlosigkeit und Aussicht auf lohnende Beute.

Während Jugendliche früher nur Kleingeld bei sich trugen, schafften Mobiltelefone, MP3-Geräte oder Markenkleidung heute lukrative Anreize, über Gleichaltrige herzufallen. Jugendgerichtshofpräsident Udo Jesionek verweist hier besonders auf Jugendliche der zweiten und dritten Zuwanderergeneration. Eklatante Bildungsmängel und damit fehlender Zugang zum Arbeitsmarkt bildeten den Nährboden jener Richtungslosigkeit, die ihrerseits frühe kriminelle Karrieren begünstige.

Daß dieser Problemlage mit Sitzkreisen, sogenannten Jugendpräventionsbeamten und Streetworkern nur bedingt beizukommen sei, wird von an der Straßenfront tätigen Vereinen freilich nur hinter vorgehaltener Hand erörtert. Schließlich stünde damit die eigene Existenzberechtigung zur Disposition. Gerade im Bereich der Handy-Diebstähle unter Jugendlichen entspreche die um 6.400 Delikte reduzierte Anzeigezahl nicht den tatsächlichen Entwicklungen, wie von gleicher Stelle eingeräumt wird. Hier stehe man einer rapide steigenden Dunkelziffer gegenüber, die mit der zunehmenden Angst der Opfer vor Racheakten gewaltbereiter Täter zu begründen wäre. Der Zuwachs von 9,3 Prozent im Segment der Sittlichkeitsdelikte basiert auf der Verdoppelung der Anzeigen im Bereich Kinderpornographie und einem Anstieg der Fälle von sexuellem Mißbrauch Jugendlicher um 43,9 Prozent. Daß im Bereich Stalking (Nachstellung) 1.671 Fälle mehr als 2006 zu konstatieren waren, wird ausschließlich auf die Einführung neuer Straftatbestände zurückgeführt.

Als herausragende Rückgänge werden PKW- und Taschendiebstahl mit einem Minus von 21,4 bzw. 15 Prozent bezeichnet. Gleichlautend mit den parallel vorgelegten Daten zu Asylmißbrauch und Schlepperkriminalität und dem 1,1prozentigen Rückgang von Einbruchsdiebstählen wird hier vor allem von seiten der oppositionellen FPÖ darauf verwiesen, daß die diesbezüglichen Daten mit der Schengen-Erweiterung vom 21. Dezember 2007 ad absurdum geführt würden.

Tatsächlich zeigen sowohl Erhebungen der Behörden als auch die Berichterstattung österreichischer Printmedien einen explosionsartigen Anstieg bei illegaler Einreise und Kriminalitätstourismus. Offenbar hätten Schlepperbanden und viele in den östlich benachbarten EU-Staaten gemeldete Asylwerber auf den Fall der Grenzkontrollen gewartet, weshalb die Statistiken für 2007 als Ausdruck der Ruhe vor dem großen Ansturm zu bewerten seien. Anfragen von Einbruchsopfern bei Schlossern und deren Verweis auf unüblich lange Wartezeiten erhärten diese Vermutung.

Die österreichische Kriminalitätsstatistik für 2007 findet sich im Internet unter: www.bmi.gv.at/kriminalstatistik/

Foto: U-Bahn-Station in Wien: Probleme mit Jugendlichen der zweiten und dritten Zuwanderergeneration

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