© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/08 08. Februar 2008

Eine permanente Gefahr
Landwirtschaft: Die Angst vor einem terroristischen Akt mit biologischen Waffen wächst / EU erstellt bereits Notfallpläne
Harald Ströhlein

Die Bundeswehr soll erstmals mit einem speziellen Kampfverband von bis zu 250 Soldaten in Nordafghanistan aktiv werden. Die schnelle Eingreiftruppe (Quick Reaction Force/QRF) wurde bislang vom Nato-Partner Norwegen gestellt und im militärischen Kampf gegen radikal-islamische Taliban-Kräfte eingesetzt. Die Deutschen müßten deshalb "ihre Soldaten mental darauf vorbereiten, Krieg zu führen, anderen Verluste beizubringen", erklärte der norwegische QRF-Kommandeur Rune Solberg dem Tagesspiegel. "Sie müssen ihre Soldaten darauf vorbereiten, daß sie ihr Leben verlieren können." Doch nicht nur die Bundeswehrsoldaten sind gefährdet - der Arm der Radikal-Islamisten und ihrer Sympathisanten reicht bekanntlich bis in die Zentren des Westens. Und nicht immer muß der asymmetrische Krieg Bombenattentate  wie in Madrid oder London bedeuten.

Als im vergangenen Jahr in Großbritannien bei einigen landwirtschaftlichen Betrieben das hochinfektiöse MKS-Virus festgestellt wurden, spekulierten englische Zeitungen offen darüber, ob nicht auch ein terroristischer Akt dahinterstecken könnte. Letztendlich entpuppte sich der Fall als Laborschlamperei, aber dennoch waren die Mutmaßungen keineswegs nur Hirngespinste der britischen Boulevardpresse.

Denn es ist nichts Neues, wenn sich böse Menschen mit fiesen Mikroorganismen beschäftigen. Während der beiden Weltkriege des vergangenen Jahrhunderts, wurde neben der chemischen Keule durch findige Kriegsstrategen auch die Biologie "militarisiert". Mit der Möglichkeit, den Feind mit einer mehr oder weniger gezielten Verteilung pathogener Organismen in Schach zu halten, ohne daß mit nennenswerten Verlusten in den eigenen Reihen zu rechnen wäre, wurde ein neues Kapitel intelligenter Kriegführung aufgeschlagen - Getreiderost und Milzbrand avancierten zum As im Ärmel schlauer Militärs.

In den Zeiten des Kalten Krieges horteten die sich rivalisierenden Staaten unvorstellbare Mengen an todbringender Biomaterie. Alleine die USA bunkerten diverse Pilzsporen in Tonnagen, um einen Großteil sowjetischer Getreide- und chinesischer Reisfelder und damit die Ernten zu vernichten. Dieser Perversion wurde jedoch im Jahre 1972 zumindest offiziell ein Ende gesetzt, als der Biowaffeneinsatz in einem Übereinkommen verboten wurde.

Dessenungeachtet bleibt die Bedrohung existent, denn Terroristen halten sich weder an Gesetz noch an Moral. Zudem ist es für Fanatiker mit viel Geld ein leichtes, eine Biobombe zu basteln, diese durch den Zoll zu schmuggeln oder auf postalen Weg zu bringen. Wenn sich auch die Laboratorien mittlerweile suspekten Anfragen verschließen, gibt die Natur her, was der Mensch verlangt. Beispielsweise ist das bisher in Europa, Asien, Afrika und Südamerika aufgetretene MKS-Virus sehr widerstandsfähig und selbst über Monate im Boden, Stall oder Stroh virulent. Eine großflächige Streuung zahlreicher Minidepots in populationsdichten Regionen wie beispielsweise dem Allgäu mit seinen fast 500.000 Rindern oder dem Großraum um Vechta, Osnabrück, Cloppenburg und Borken mit seinen nahezu sieben Millionen Schweinen käme einer Katastrophe gleich. Verheerend wäre dies nicht nur angesichts einer ohnehin nicht mehr luxuriösen Versorgungslage bestimmter Agrarrohstoffe wie Milch oder Getreide - es hätte auch fatale Folgen für den Warenverkehr. Als sich Mitte der neunziger Jahre vergangenen Jahrhunderts im US-Bundesstaat Arizona der Weizenbrand gleich einem Flächenfeuer über die Getreidefelder ausbreitete, schlossen mehr als 30 Länder der Welt ihre Grenzen. Die betroffenen US-Farmer hatten Dollarverluste in dreistelliger Millionenhöhe zu beklagen.

Als  eine Konsequenz aus dem 11. September 2001 setzten die US-Amerikaner im Jahre 2003 das Bioterrorismusgesetz in Kraft. Die in dieser Gesetzgebung unter anderem verankerten rigorosen Einfuhrbestimmungen von Lebensmitteln wurden damals von der EU vor dem Hintergrund zahlreicher WTO-Scharmützel sowie ferner von der deutschen Ernährungsindustrie als Schikane bezeichnet, schärfstens kritisiert und als Handelsprotektionismus angeprangert.

Daß man mittlerweile in Brüssel ähnlich denkt, zeigte sich in dem von der EU-Kommission voriges Jahr veröffentlichten "Grünbuch über die Biogefahrenabwehr" (KOM 2007/399). Dabei drängen die Eurokraten auf EU-synchrone Maßnahmen gegen Terroranschläge mit Biowaffen und fordern mitunter, Überwachungs- und Frühwarnsysteme zu etablieren, die Abwehrbereitschaft durch eine sektorübergreifende Zusammenarbeit zwischen Lebensmittel-, Agrar-, Umwelt-, Katastrophenschutz- und Militärbehörden zu verbessern und eine Notfallplanung zu etablieren. In diesem Jahr sollen nun konkrete Maßnahmen ergriffen werden, um " die Fähigkeit der EU zu verbessern, biologischen Unfällen oder Anschlägen vorzubeugen, auf sie zu reagieren und sich von ihnen wieder zu erholen". Denn es sei denkbar, "daß Terroristen auch auf nicht konventionelle Mittel wie biologische Waffen oder Materialien zurückgreifen".

Selbstverständlich ist auch Deutschland in dieses Projekt mit einbezogen. Und das ist gut so, denn mit dem neuerdings offensiven Engagement am Hindukusch haben wir Deutschen uns unmißverständlich positioniert. Ein Konter jeglicher Art sollte die Deutschen daher nicht wundern.

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