© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/08 15. Februar 2008

Erdogan in Deutschland
Der Auftritt eines Führers
Dieter Stein

Der Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Deutschkand war beeindruckend. Unumwunden wurde der Regierungschef seinen zwei Millionen hier lebenden Landsleuten vor seinem Auftritt in der Kölnarena am vergangenen Sonntag auf Großplakaten in türkischer Sprache als "Führer (Lideri) der Türkei" angekündigt, 20.000 kamen, um seine Rede zu hören. Ein Reporter berichtet: "Mit patriotischer Inbrunst sang die Menge die türkische Hymne, sie bejubelte ein Stück Heimat." Vor einem Meer von türkischen Fahnen rief Erdogan seinem Publikum zu: "Ich kann hier, mitten in Europa, die Düfte Kleinasiens wahrnehmen." Der Auftritt eines markigen, nationalistischen Staatsmanns.

Welcher Kontrast zur Garde, die die politische Klasse Deutschlands zu bieten hat. Erdogan ist anzumerken, woraus sich die Souveränität des Regierungschefs aus Ankara schöpft: tiefe Religiosität, Nationalstolz, Machtbewußtsein. All das also, woran es deutschen Politikern mangelt. Wie provinziell und servil Kurt Beck oder Angela Merkel neben ihm wirken. Natürlich ist Erdogans Auftritt in Deutschland eine Provokation - die jedoch unerwidert blieb. Es ist entlarvend, wenn ein Ministerpräsident, in dessen Land Minderheiten - allen voran 14 Millionen Kurden - mit rabiaten Methoden zur Aufgabe ihrer Identität gezwungen werden, Christen systematisch an ihrer freien Religionsausübung behindert und vertrieben werden, in Deutschland verkündet: "Niemand kann von euch erwarten, daß ihr euch assimiliert. Denn Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit."

Gibt es hierzulande überhaupt einen Assimilationsdruck? Das Kaiserreich hat Hunderttausende Polen und Russen binnen weniger Generationen zu Deutschen gemacht - ohne "Integrationsbeauftragte" oder doppelte Staatsbürgerschaften. Offenbar ist es eine Frage der Quantität und der Qualität, ob es gelingen kann, Einwanderergruppen in das deutsche Volk zu integrieren. Quantitativ hat die türkische Volksgruppe in Deutschland mittlerweile - zumal in den Großstadtghettos - eine Zahl erreicht, die eine Integration oder Assimilation an die Deutschen überflüssig macht, da sie in ihrem Wohnumfeld mittlerweile die Mehrheit stellt, so daß sich Türken ohne Deutschkenntnisse wie in einer Kleintürkei bewegen können. Und während sich die in einem selbstmörderischen Gebär- und Zeugungsstreik befindlichen Deutschen zurückziehen, breiten sich die vitaleren Türken unaufhaltsam aus.

Qualitativ hat Deutschland seine eigenen Standards so weit abgesenkt, daß Türken es im Kontrast zur eigenen Identität zunehmend als entehrend ansehen, eine deutsche Identität anzunehmen. Was macht diese "deutsche Identität" denn aus? Repräsentiert durch die politische Klasse und gesellschaftlicher "Eliten" ist dies ein nationalmasochistischer Schuldkult, eine morbide Kultur der Dekadenz, des Verfalls der traditionellen Familie und Verachtung der eigenen Religion.

Dem tritt ein vor Selbstbewußtsein platzendes Türkentum entgegen, von dem man sich getrost eine Scheibe abschneiden kann.

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