© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/08 15. Februar 2008

Die Nachlaßverwalter des Richter Gnadenlos
Hamburg: Zur Bürgerschaftswahl treten zwei konservative Gruppierungen an / Zentrumspartei und Heimat Hamburg sehen sich in der Tradition der Schill-Partei
Arnold Steiner

Die Hamburger Parteienlandschaft war schon immer etwas ganz besonderes. Mehrfach gelang Parteineugründungen der Sprung in die Bürgerschaft. Bei der Wahl im Jahr 1993 erreichte die bürgerliche Statt-Partei 5,6 Prozent der Stimmen, und 2001 triumphierte die Partei von Amtsrichter "Gnadenlos" Roland Schill mit 19,4 Prozent der Stimmen.

Auch bei der anstehenden Wahl am 24. Februar machen sich mit der Partei Rechte Mitte Heimat Hamburg und dem Hamburger Landesverband der Deutschen Zentrumspartei wieder zwei rechts von der Union stehende Gruppierungen Hoffnung auf einen Erfolg. Beide Parteien werden von Männern geführt, die in der Hansestadt keine Unbekannten sind. Während Heimat Hamburg eine Neugründung des ehemaligen CDU-Justizsenators Roger Kusch ist, geht der hanseatische Ableger der Zentrumspartei mit dem ehemaligen Nachfolger Schills im Amt des Innensenators, Dirk Nockemann, als Spitzenkandidat ins Rennen.

Aber was haben beide Parteien dem konservativen Wähler zu bieten? Sind sie nur eine willkommene Gelegenheit, der sich auch in Hamburg immer mehr zur linken "Großstadtpartei" entwickelnden CDU einen Denkzettel zu verpassen, oder bieten sie eine echte Alternative? Nockemann hofft jedenfalls, daß sich die CDU mit den "Nationalkonservativen" verbinden wird, "um die linke Volksfront aufzuhalten". Dem Wahlprogramm der Zentrumspartei fehlt jedoch ein überzeugendes Konzept. Neben der Kritik am bisherigen System vermißt man realistische Alternativen. Zudem werden Bundes- und Landeskompetenzen vermischt und damit Politikfelder thematisiert, die für die bevorstehende Wahl irrelevant sind. Die Partei um Nockemann, der auch schon eine führende Rolle in der Schill-Partei spielte, setzt auf die Verteilung staatlicher Gaben. Sie will unter anderem einen Mindestlohn einführen und die Rente mit 67 abschaffen, und auch im Nahverkehr und bei der Bildung wird auf staatliches Geld gesetzt. Auf die Frage, wie diese Projekte finanziert werden sollen, kann Nockemann jedoch keine überzeugende Antwort bieten.

Klare Worte findet er dafür auf dem Gebiet der inneren Sicherheit. Neben der kompromißlosen Ausweisung von straffälligen Ausländern und der Beendigung des "Multikulti-Blödsinns" sei ein besonderes Augenmerk auf die zunehmende Islamisierung zu richten. Speziell in Hamburg sei dafür zu sorgen, so Nockemann, daß die Moscheen nicht zu einem "Brückenkopf des internationalen Terrors" werden.

Sein Konkurrent Roger Kusch sieht die Aufgabe der Politik in erster Linie darin, die Bedingungen und den freiheitlichen Raum dafür zu schaffen, daß jeder Mensch "seinen persönlichen Weg zu einem glücklichen Leben selbst und ohne Bevormundung suchen und finden" kann. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt er auf weitestgehende Liberalität einerseits und absolute Härte anderseits gegen alle Versuche, gegen Freiheit und Sicherheit zu verstoßen. Allerdings könne dieses Ziel nicht durch "linke Staatsanwälte oder Richter" erreicht werden, "die vor allem für die Täter Verständnis haben, statt die rechtstreue Bevölkerung zu schützen".

Angesprochen auf Roland Kochs Wahlniederlage in Hessen mit dem Thema "kriminelle jugendliche Ausländer", sagte Kusch gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, er sei ideologisch immer dicht an diesem Thema gewesen. Nach dem Ausscheiden Schills aus der Koalition mit der CDU habe diese Einstellung dann aber ein "Knirschen im Getriebe" verursacht, das letztlich in seinem Parteiaustritt gipfelte.

Über das Thema Innere Sicherheit hinaus bietet Kusch unter anderem auch Antworten in der Bildungs-, Familien- und Steuerpolitik an und legt damit ein abgerundetes und auf Hamburg zugeschnittenes Grundsatzprogramm vor, das sich allen aktuellen Problemfeldern widmet. Für konservative Wähler eher irritierend wirkt sein Eintreten für eine Liberalisierung der Sterbehilfe.

Ob der Zentrumspartei und Heimat Hamburg der Sprung ins Parlament gelingen wird, ist mehr als unwahrscheinlich. Dies liegt auch an der mangelnden Präsenz im Wahlkampf. Während Schill 2001 bei seinem sensationellen Einzug in die Bürgerschaft die wichtigsten Zeitungen der Stadt hinter sich wußte und dadurch eine Plattform hatte, von der aus er den Großteil der Wähler erreichte, werden die beiden Rechtsausleger bei der anstehenden Wahl von der örtlichen Presse weitestgehend totgeschwiegen.

Auch die Stimmenwerbung durch Wahlplakate fällt mäßig aus. Während die Zentrumspartei gerade einmal 250 Plakate geklebt hat, bringt es Kusch immerhin auf über 1.500. Angesichts der großflächigen Kampagnen der Etablierten fällt es jedoch schwer, sich mit diesen Stückzahlen zu positionieren und Wähler für sich zu mobilisieren.

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