© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/08 15. Februar 2008

DVD: Melodram
Sehnsüchte
Werner Norden

Geschichte und Mythologie des Film-Melodrams tragen einen Namen: Douglas Sirk. In ihm hat das Genre seinen Meister gefunden. Tatsächlich ist seine Methode, von tragischen Liebesgeschichten, Leiden und Tod zu erzählen, bis heute unerreicht. Rainer Werner Fassbinder verehrte ihn und versuchte vergeblich, ihn zu kopieren, und für Pedro Almovódar ist er die wichtigste Inspirationsquelle. Um so erfreulicher, daß nun drei seiner weniger bekannten Filme in einer DVD-Kollektion erschienen sind: "All I Desire" ("All meine Sehnsucht", 1953), "There is Always Tomorrow" ("Es gibt immer ein Morgen", 1956) und "Interlude" ("Der letzte Akkord", 1957).

In "All meine Sehnsucht" erzählt Sirk die Geschichte von Naomi Murdoch (Barbara Stanwyck), die nach zehn Jahren Abwesenheit zurück in ihre Familie und in ihre Kleinstadt kommt. Ihr Traum, als Schauspielerin eine große Karriere zu machen, hat sich nicht erfüllt. Ihr Mann (Richard Carlson) und ihre älteste Tochter begegnen ihr ebenso reserviert wie die Einwohner der Stadt. Zwar wird sie wieder in die Gesellschaft aufgenommen, doch insgeheim verzeiht man ihr weder ihre Abwesenheit, noch daß sie einmal ein Verhältnis mit einem anderen Mann gehabt hat. Allein die jüngste Tochter, die selbst zur Bühne will, hält zu ihr. Als schließlich ihr ehemaliger Liebhaber wieder auftaucht, um erneut mit ihr anzubandeln, wird die Mauer aus Mißtrauen und Vorurteilen unüberbrückbar.

Während "All meine Sehnsucht" von der Kritik völlig zu Unrecht als "gelacktes Rührstück" abqualifiziert wurde, gilt "Es gibt immer eine Morgen" als "Meisterwerk des gefühlvollen Kinos". Der Fabrikant und Familienvater Clifford Groves (Fred MacMurray) fühlt sich von seiner Frau Marion (Joan Bennett) vernachlässigt und fängt eine Liebelei mit einer Jugendfreundin Norma (Barbara Stanwyck) an. Als sein Sohn ihn bei einem Treffen mit ihr überrascht, verdächtigen seine Kinder ihn des Ehebruchs und werden noch abweisender zu ihm. Er bittet seine Freundin, mit ihm wegzugehen, doch Norma wendet sich an Marion und die Kinder und verlangt von ihnen, Clifford mehr Liebe zu zeigen. Schließlich überzeugt sie auch ihn, daß sein Platz bei seiner Familie ist.

"Der letzte Akkord" handelt von einer Reise nach Europa. Die junge Amerikanerin Helen Banning (June Allyson) kommt nach München und verliebt sich hier in den Star-Dirigenten Tonio Fischer (Rossano Brazzi). Die beiden haben eine Affäre. Doch als sie erkennt, daß Reni (Marianne Koch), die Frau des Dirigenten, an ihrer Liebe zu ihm zerbrochen ist und darüber wahnsinnig wurde, verzichtet sie aus Mitleid mit der kranken Ehefrau auf den Geliebten. Inszenatorisch vielleicht etwas zu glatt und routiniert, ist der Film dennoch ein effektvolles, romantisches Melodram, bei dem es - wie in fast allen Sirk-Filmen - um eine unbestimmte Sehnsucht geht, die am Ende nicht erfüllt wird. Zwar wird auch hier die bürgerliche Familie mit Ach und Krach weiterbestehen, aber mit ihr - so wird dezent angedeutet - auch erotische Frustrationen, Neurosen, Traumata und gesellschaftliche Unterdrückung. Als Extras enthält die Box Bildergalerien mit seltenem Werbematerial.

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