© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/08 22. Februar 2008

Christlicher Jugendkongreß unter Beschuß
Kampagne: Beratungs-Seminar für Homosexuelle abgesagt / Bischof teilt Kritik / Grünen-Politiker Beck vergleicht Evangelikale mit NPD
Christian Rudolf

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, angeführt von deren Erstem Parlamentarischem Geschäftsführer Volker Beck, hat am 24. Januar zwei Anfragen an die Bundesregierung gestellt. Die Große Anfrage erkundigt sich nach der "Sicherstellung des Menschenrechts der Religions- und Glaubensfreiheit" in einzelnen Ländern und Regionen und hebt einleitend hervor, daß es zu jener Freiheit gehöre, "seinen Glauben frei und ohne Zwang wechseln zu können". "Sich für oder gegen eine Religion frei zu entscheiden", sei "elementares Menschenrecht".

Was in Glaubensfragen gelten soll, scheint für den sexuellen Bereich völlig ausgeschlossen und abwegig. So jedenfalls liest sich die andere, die Kleine Anfrage zu "Antihomosexuellen Seminaren und pseudowissenschaftlichen Therapieangeboten religiöser Fundamentalisten". Hintergrund ist der jugendmissionarische Kongreß Christival, zu dem vom 30. April bis 4. Mai in Bremen rund 20.000 Teilnehmer erwartet werden.

Ein einzelnes Seminar von insgesamt 225, das Homosexuelle beraten sollte, die sich eine Änderung ihrer Orientierung wünschen, hatte den Argwohn Volker Becks hervorgerufen, der von 1991 bis 2004 Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands Deutschland war. Bereits Anfang Januar forderte er Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ultimativ auf, entweder die Schirmherrschaft über das evangelikale Jugendtreffen abzugeben oder aber zu veranlassen, daß das beanstandete Seminar abgesetzt wird. Dort würden, so Beck, "gefährliche Psychokurse und minderheitenfeindliche Angebote" gemacht, die seiner Einschätzung nach "zur Heilung von Homosexualität" gedacht seien. Das Seminar wurde daraufhin am 9. Januar vom Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft (DIJG) in Reichelsheim, das dafür die Referenten stellte, zurückgezogen. "Wir wollen nicht, daß das Christival mit Kritik überhäuft wird, bevor es überhaupt startet", so Christl Vonholdt vom     DIJG zur Begründung. Die Kritik Becks aber sei unberechtigt. "Wir setzen uns dafür ein, daß Menschen, die ihre homosexuellen Impulse als unvereinbar mit ihren Wünschen, Überzeugungen und Lebenszielen erfahren, selbstbestimmte Wege gehen können, die zu einer Abnahme homosexueller Empfindungen führen." Selbstbestimmung auf diesem Gebiet sei "unveräußerliches Recht jedes Menschen" und gehöre zu seiner Freiheit.

Der Pressesprecher des Christival, Stephan Volke, äußerte sein Bedauern über Politiker, die "mit Vorurteilen an die Öffentlichkeit gehen, ohne die Inhalte einzelner Programmpunkte zu kennen".

Aus den Mitte Februar erfolgten Antworten der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage geht hervor, daß dem Familienministerium die einzelnen Themen der verschiedenen Christival-Seminare nicht detailliert bekannt waren. Sie verteidigte hingegen die finanzielle Förderung des Kongresses, weil er Impulse für die christliche Jugendarbeit gebe. Die Unterstellung der Grünen-Fraktion, die Regierung habe "die Schirmherrschaft über antihomosexuelle Veranstaltungen" übernommen, wurde zurückgewiesen. Es handele sich beim Christival nicht um eine so bezeichnete Veranstaltung. Die Bundesregierung vertrete allerdings "weder die Auffassung, daß Homosexualität einer Therapie bedarf, noch daß Homosexualität einer Therapie zugänglich ist".

Zwischenzeitlich erhielt Beck unerwartete Unterstützung vom Leitenden Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Johannes Friedrich, der dem Christival-Kuratorium angehört. Friedrich hatte in einem Brief Beck sekundiert, "daß er dessen Kritik an dem abgesagten Seminar voll und ganz teilt". Das Bischofsbüro wollte auf Nachfrage der evangelischen Nachrichtenagentur idea zum Inhalt des Briefes, der privat gewesen sei, keine Stellung beziehen.

Andere prominente Kuratoriumsmitglieder äußerten sich bislang nicht öffentlich zu der Auseinandersetzung. Zahlreiche Bitten von idea um Kommentierung blieben unbeantwortet.

Unterdessen brachte Grünen-Politiker Beck, der sich selbst offensiv zu seiner Homosexualität bekennt, auf der Internetseite abgeordnetenwatch.de evangelikale Therapie- und Heilungsangebote für Homosexuelle in einen indirekten Zusammenhang mit der NPD. Diese greife die Menschenwürde "von Juden, Homosexuellen und Behinderten an", und "Homoheilungsprediger greifen die Würde aller Lesben und Schwulen an, indem sie Homosexualität pathologisieren und mit Verdrehungen und Unwahrheiten schwule und lesbische Bürger herabsetzen".

Die freikirchliche Deutsche Evangelische Allianz griff derweil in die Kampagne auf seiten des Jugendtreffens ein, das sie ihrer uneingeschränkten Unterstützung versicherte. Die Angriffe Becks richteten sich nicht nur gegen einzelne Seminare, sondern gegen alle, "die sich anders positionieren als die Schwulenbewegung".

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