© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/08 22. Februar 2008
Gedenken an den Feuersturm Im Juli jähren sich zum 65. Male die Zerstörung Hamburgs im Zweiten Weltkrieg. Die fünf Nachtangriffe der Royal Air Force, die sich bemühte, mit Bombenteppichen auf Wohnviertel möglichst viele Zivilisten zu töten, wurden durch zwei Tagesangriffe amerikanischer Bomber auf militärische Ziele ergänzt. Den Briten töteten innerhalb der Woche vom 25. Juli bis 3. August 1943 ungefähr 41.000 Hamburger, unter ihnen etwa 4.800 Kindern. Die größten Verluste traten in den dicht besiedelten Arbeiterwohngegenden der Stadtteile Hammerbrook, Rothenburgsort, Borgfelde, Hohenfelde und Hamm ein, zumal dort ein nicht zu löschender Feuersturm entstand. Über 100.000 wurden verwundet, etwa 900.000 Menschen obdachlos. 56 Prozent aller Wohnungen wurden vollständig zerstört ebenso wie 58 Kirchen und 24 Krankenhäuser. In seiner Darstellung "Der Zweite Weltkrieg" registrierte der britische Premierminister Winston Churchill, offenbar nicht ohne Stolz: "Die Angriffe auf Hamburg zwischen dem 24. Juli und 3. August 1943 verursachten die gründlichsten Zerstörungen, die eine so große Stadt in so kurzer Zeit erlitten hatte." Die Moral der Bevölkerung aber blieb ungebrochen. Den Jahrestag nahm das schleswig-holsteinische Feuerwehrmuseum in der an Hamburg grenzenden Stadt Norderstedt zum Anlaß, in einer Ausstellung an die schrecklichste Katastrophe zu erinnern, die Hamburg jemals erlebt hat. Etwa 50 großformatige Fotos von den Fotografen Erich Andres, Willi Beutler, Hans Brunswik und Joseph Schorer dokumentieren die Zerstörungen ebenso wie den Tod im Luftkrieg. Der Kampfmittelräumdienst, der immer noch Bomben entschärfen muß, gibt einen Einblick in seine Arbeit. Bei der Eröffnung hielt der frühere zweite Bürgermeister von Hamburg, der Verfassungsrechtler Ingo von Münch (FDP), der selbst als Kind den Luftkrieg in Berlin miterlebt hat, die Gedenkrede. In eindringlichen Worten beschwor er jene Sommerwoche vor 65 Jahren. Die britischen Bomber hatten der Zerstörungsaktion den Code-Namen "Unternehmen Gomorrha" gegeben. Diese Anspielung auf die in der Bibel erwähnte Vernichtung der sündigen Einwohner der Stadt Gomorrha nannte von Münch blasphemisch. "Für einige mag der Tod schnell und unvorhergesehen gekommen sein, für andere war es ein langes Leiden. Für einige Opfer mag der Tod eine schnelle Erlösung gewesen sein, für andere eine endlos scheinende grauenvolle Qual. Niemand kann nachempfinden oder gar wissen, was die Opfer in den letzten Momenten gefühlt haben. Die Überlebenden können nur berichten, was sie selbst während des Feuersturms und danach erlebt und gesehen haben." Von Münch stellte die getöteten Frauen, Männer und Kinder in den Mittelpunkt seiner Rede. "Die Überlebenden und die Nachgeborenen können das Leid nicht ungeschehen machen. Ihnen bleibt nur, an die Opfer zu erinnern und ihrer zu gedenken. Dies ist ein Sinn dieser Ausstellung. Die Opfer sind stumm - aber in einem übertragenden Sinne rufen sie nach uns, nach unserer Aufmerksamkeit." Am tiefsten hätten ihn die Bilder toter Kinder berührt, die nicht verantwortlich waren für irgendwelche politischen Entscheidungen, die aber dennoch sterben mußten. "Eindrucksvoller und trauriger kann der Wahnsinn jedes Krieges und speziell des Bombenkrieges nicht dokumentiert werden", sagte von Münch. Ob die Hansestadt zum 65. Jahrestag des "Unternehmens Gomorrha" eine Gedenkveranstaltung plant, konnte keiner der Befragten aus mehreren Landesbehörden beantworten; sie schienen vielmehr über die Frage erstaunt zu sein. Lediglich die Hamburger Forschungsstelle für Zeitgeschichte bietet drei Veranstaltungen über Hamburgs Gedenken an Luftkrieg und Kriegsende an sowie eine über den Feuersturm als Familiengeschichte. Die Ausstellung ist noch bis zum 30. März im Feuerwehrmuseum Schleswig-Holstein, Friedrichsgaber Weg 290, 22846 Norderstedt, mittwochs bis sonntags von 15 bis 18 Uhr zu sehen. |