© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/08 22. Februar 2008

Die Pressefreiheit wird nicht eingeschränkt
Dänemark: Erneuter Abdruck von Mohammed-Karikatur löst gewalttätige Proteste aus / Islamische Vertreter verlangen Medienzensur
Victor Gache

In der Nacht auf Samstag brannte es 103mal, in der auf Sonntag wurden 185 einzelne Feuer entdeckt, bis Montagfrüh wurden 88 weitere registriert, darunter waren solche in Schulen und sogar in einem Kindergarten. Kleinere Vorfälle mit Müllcontainern, die leicht gelöscht werden konnten, wurden nicht einmal immer mitgezählt. In Brøndby und in Roskilde mußten Wohnhäuser evakuiert werden, in Kopenhagen brannten ein Campingbus, zwei Auto und zwei Geschäfte. Es sieht aus wie in Pariser Vorstädten im November 2005. Unter den über 100 Festgenommen waren aber keine "Linksautonomen", die seit Wochen radikal gegen die Schließung eines "alternativen" Zentrums protestieren. Alle verhafteten Jugendlichen hatten laut Medienberichten einen "Migrationshintergrund".

Ursprünglicher Anlaß war ein Polizeieinsatz im multikulturellen Kopenhagener Stadtteil Nørrebro, doch dann verschärfte sich die Lage, denn der zwei Jahre alte Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen (JF 11/06) ist wieder aufgeflammt. Alles begann mit der Festnahme dreier Migranten. Zwei von ihnen kamen in Haft, den beiden Männern wird vorgeworfen, die Ermordung Kurt Wester­gaards geplant zu haben. Der 72jährige Karikaturist geriet ins Fadenkreuz von Islamisten, nachdem der Abdruck seiner Mohammed-Karikatur (die den Propheten mit einer Bombe im Turban zeigt) und ähnlicher Zeichnungen in der rechtsliberalen Tageszeitung Jyllands-Posten weltweite Proteste gegen Dänemark hervorgerufen hat.

Gleichzeitig soll die schwedische Polizei zwei Tatverdächtige mit Beziehungen zu Terrornetzwerken verhört haben, bei denen Karten vom Grundstück des schwedischen Karikaturisten Lars Vilks gefunden worden sind (JF 39/07). Auch er scheint auf den Todeslisten der Islamisten gestanden zu haben.

Die dänischen Zeitungen druckten die Karikaturen daher am 13. Februar abermals ab. "Die Zeitung verdient bedingungslose Solidarität, wenn sie mit Terror bedroht wird", schrieb die linke Politiken. Die konservative Berlingske Tidende druckte die provokanten Karikaturen sogar erstmals ab: "Die neue Lage mit Morddrohungen gegen einen dänischen Karikaturisten erfordert ein klares, unzweideutiges und aktives Bekenntnis dazu, daß wir in Dänemark keine Einschränkung der Meinungsfreiheit akzeptieren oder uns zu Geiseln von religiösem Fanatismus machen lassen."

Die Teheraner Mullah-Regierung reagierte als erste und bestellte den dänischen Botschafter ein. Man erwarte eine "ernste Haltung" - im Klartext: Eine Wiederholung des Abdrucks solle von der Regierung verhindert werden. Teheran hatte schon 2006 hinter den Kulissen Anstachelungen und Aufwiegelungen betrieben. So kam es, daß die im September 2005 abgedruckten Karikaturen erst Anfang 2006 einen Sturm der Entrüstung in der islamischen Welt hervorriefen. Die Unruhen, die damals weltweit mindestens fünfzig Tote forderten, waren das Ergebnis einer gezielt vorbereiteten konzertierten Aktion. "Demonstranten" steckten damals die dänischen Botschaften in Beirut und in Damaskus in Brand.

Der Däne Westergaard nimmt den Attentatsplan gelassen: "Ich bin 72, da hat man keine Angst mehr." Dennoch wurde er am Dienstag von der Hotelleitung aufgefordert, sein Zimmer zu verlassen, weil er ein "Sicherheitsrisiko" darstelle. Nach Hause zurückkehren kann er ebenfalls nicht.

Die "muslimische Welt" reagierte inzwischen erneut mit Ausschreitungen und Drohungen. Bis nach Pakistan und Palästina hat sich der neuerliche Abdruck der Karikaturen herumgesprochen. In Islamabad und anderen pakistanischen Städten demonstrierten Hunderte Studenten, die forderten, "der Karikaturist und der Verleger müssen gehängt werden". In Gaza waren es gleich 4.000, die allerdings "nur" eine Anklage Westergaards und eine offizielle Entschuldigung verlangten. So schlimme Ausschreitungen wie 2006 gab es bislang nicht. Wie schon 2006 kamen aus Pakistan und Kuweit Boykottaufrufe für dänische Waren.

Der rechtsliberale Premier Anders Fogh Rasmussen zeigt sich standhaft: "Eine demokratische Regierung hat keinerlei Befugnis, die Rechte der Medien einzuschränken", bekannte er in der Weltwoche. "Und nach den dänischen Gesetzen hat eine Zeitung das Recht, Cartoons und Karikaturen zu veröffentlichen - auch solche, die etwa einen Propheten abbilden." Der außenpolitische Ausschuß des dänischen Parlaments hat wegen der iranischen Zensurforderungen einen geplanten offiziellen Besuch in Teheran abgesagt.

"Witze kann man eigentlich nur noch über Wüsten und unentdeckte Planeten machen. Bei jedem anderen Thema wird sich immer jemand finden, der betroffen ist oder der eine Stellvertreterbetroffenheit ins Feld führt", hat einmal Karikaturist Robert Gernhardt erklärt. Im Falle von Mohammed-Karikaturen können die Konsequenzen sogar tödlich sein.

Die Mohammed-Karikaturen im Internet: www.aina.org/releases/20060201143237.htm

Foto: Karikatur-Proteste in Pakistan: "Sie müssen gehängt werden!"

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen