© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/08 22. Februar 2008

CD: Metal
Feuer frei
Jörg Fischer

Vor einem Vierteljahrhundert begann die in deutsch-japanisch-niederländischer Kooperation entwickelte "Compact Disk" (CD) die Langspielplatten zu verdrängen. Nun muß die CD dem am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen entwickelten MP3-Standard immer mehr Marktanteile abtreten. Branchenriesen wie EMI, PolyGram oder Warner flüchten sich in Megafusionen oder die gierigen Fühler von "Heuschrecken". Ein teures Heer von Lobbyisten redet den Politikern fragwürdige Gesetzesverschärfungen ein - doch ihre Trendmusik saugen sich die Nachwuchskonsumenten lieber aus dem Internet auf ihre bunten MP3-Spieler und Mobiltelefone.

Die Generation, die sich noch für Gitarren-dominierte Rockmusik interessiert, ist da konservativer. Das ist die Chance für mittelständische Plattenfirmen, die in ihrer Marktnische statt Milliarden weltweit nur Millionen umsetzen. Wer beispielsweise nach gutem Hardrock und Metal im Stil der achtziger und frühen neunziger Jahre sucht, wird daher nicht bei Sony-BMG & Co. fündig, sondern etwa bei den neapolitanischen Frontiers Records. Dort erschien kürzlich das neue Album der finnischen Melodie-Metaller Leverage. Auf "Blind Fire" finden sich einprägsame Melodien und Refrains - gesungen von Pekka Heino, der in seinem Genre mit einer ebenso kompetenten Stimme gesegnet ist wie sein schlagersingender deutscher Namensvetter Heinz Georg Kramm. Die beiden Leverage-Gitarristen Tuomas Heikkinen und Torsti Spoof liefern sich manches Duell, aber auch Tastenmann Marko Niskala setzt einige Akzente. Und der "Blind Fire"-Titel "Stormchild" besitzt sogar ein gewisses Ohrwurmpotential für Liebhaber von Bon Jovi bis Yngwie Malmsteen.

Ebenfalls nichts völlig Neues bietet die schwedisch-norwegische Musikallianz Saint Deamon auf ihrem Debütalbum "In Shadows Lost From The Brave" (Frontiers Records). Eine Dreiviertelstunde lang werden mit Stücken wie "Black Symphony", "The Brave Never Bleeds" oder "Run For Your Life" die späten Neunziger musikalisch zelebriert. Leider kommt Gitarrist Toya Johansson in den selten die Fünf-Minuten-Grenze sprengenden Liedern wenig zum Solieren, da Sänger Jan Thore Grefstad eine viel zu dominierende Stellung innehat. Freunde von Hammerfall, Primal Fear oder Stratovarius können aber mal ein Ohr riskieren.

Experimentiert hat hingegen Helloween-Bassist Markus Großkopf, der mit zahlreichen Tieftonkollegen die CD "Hellbassbeaters" (Locomotive Records) nur allein mit Baßgitarren, Schlagzeug und Gesang eingespielt hat. Das Ergebnis ist trotz prominenter Namen wie Billy Sheehan, Rudy Sarzo, Joey Vera leider so mäßig, daß die Bassinvaders wahrscheinlich kaum die Produktionskosten amortisieren werden.

Ebenfalls auf die achtziger Jahre setzt die schwedische Formation Fatal Smile, die mit "World Domination" (Locomotive Records) ihre dritte Scheibe vorlegt. Aber im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen Bands setzt das Quartett um den aus der Türkei stammenden Gitarristen Yüksel Unutmaz weniger auf eingängige Melodien oder Gitarrensoli, sondern wandert (nicht nur optisch) auf den Spuren der Glam- und Sleaze-Rocker wie Twisted Sister oder Mötley Crüe. Mit Titeln wie "Too far down", "Primed & ready" oder "Run for your Life" wollen sich die vier Musiker offensichtlich eine Scheibe vom Erfolg ihrer Landsleute von Hardcore Superstar abschneiden. Der Fatal-Smile-Sänger mit dem Pseudonym "Blade" macht übrigens seinem Namen alle Ehre und keinesfalls ein Goldkehlchen. Aber Ian "Lemmy" Kilmister von Motörhead oder John Michael "Ozzy" Osbourne können eigentlich auch nicht richtig singen - was ihrem Erfolg keinen Abbruch tat.

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