© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/08 22. Februar 2008

Kaputte Helden
Michel Houellebecq zum fünfzigsten Geburtstag
Harald Harzheim

Er verschaffte der "kunstlosen" Journalistensprache die höhere Weihe, erhob sich mit ihr vom Essayisten zum französischen Romancier ersten Ranges. Houellebecq haßt die gehobene Kunstsprache, die "stupiden Wortspiele", die sein Essay "Jacques Prévert ist ein Arschloch" (1992) dem französischen Vorzeigelyriker unterstellt. Poesie, das bedeutet ihm "die Ketten des Kausalen" zu brechen und "unentwegt mit der Explosivkraft der Absurdität" zu spielen, während die Prosa gegen die moderne Welt des Narzißmus anschreibt, gegen eine Zivilisation, deren "befreite" Sexualität in einem globalen Markt der Libertinage mündet, der vor allem eins produziert: den Verlierer.

Der am 26. Februar 1958 geborene Michel Houellebecq (eigentlich Michel Thomas) wurde von seinen Eltern frühzeitig in Pflege gegeben. Diese Zurückweisung findet in dem Thesenroman "Elementarteilchen" (1999) gesellschaftskritische Überhöhung: Darin läßt eine "68er-Mutter" ihre beiden Söhne Bruno und Michel verwahrlosen, weil die ihrer sexuellen Selbstverwirklichung im Wege stehen. Bruno stolpert als sexomaner Drehbuchautor durchs Leben, wird zuletzt wahnsinnig, während Michel als Genetiker zum Dr. Frankenstein mutiert, der einen neuen Menschen schafft, ohne Sexualität und Emotion, garantiert leidfrei. "Elementarteilchen" wurde zum Skandal und sein Autor als "Rechtsintellektueller" verschrien.

Daß sein Skandalwert noch steigerungsfähig war, bewies Houellebecq mit dem Nachfolgeroman "Plattform" (2001). Der schildert den Aufbau sextouristischer Hotelanlagen in Thailand, bis eine islamistische Terrorgruppe den hedonistischen Traum beendet. Dies und abfällige Äußerungen über den Islam brachten dem Autor einen Prozeß ein, den er aber gewann.

Es ist verführerisch, aber kaum möglich, die Werke des schüchternen Kettenrauchers Houellebecq auf biographische Hintergründe abzuklopfen. Zu kreativ ist der Romancier im Erfinden von Fakten. Houellebecq, so scheint es, will mit seinen kaputten Helden verwechselt werden.

Nach dem Rückzug ins ländliche Irland entstand sein bislang letzter Roman, "Die Möglichkeit einer Insel" (2005). Darin knüpft er an das Finale von "Elementarteilchen" an, schildert eine Zukunft voll unsterblicher, leidloser Androiden. Mit diesem Roman schloß sich der ewige Kreislauf der Weltflucht, das Leben konnte sich nochmal in gnostischer Manier als "das Böse" (Houellebecq) erweisen. Glück, das gibt es nur in der Lyrik. Nicht zufällig hieß Houellebecqs erster Gedichtband "Suche nach dem Glück" (2000).

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