© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/08 22. Februar 2008

Frisch gepresst

Hammerstein. Auf seine alten Tage hat auch Hans Magnus Enzensberger gemerkt, daß sich Zeitgeschichtliches, primär "33 bis 45", gut verkauft. Warum sich also nicht einmal mit Kurt von Hammerstein-Equord (1878-1943) beschäftigen? Unterstützt von einem Mitarbeiter aus Jan Philipp Reemtsmas Hamburger Institut für Sozialforschung, spürte Enzensberger der Lebensgeschichte des letzten Chefs der Seecktschen Reichswehr nach, der nicht nur wegen seiner Rußlandkontakte als "roter General" verschrien war, als mehr der Jagd denn seiner eigentlichen Profession zugeneigter Bonvivant galt und 1934 als erklärter Gegner Hitlers von seinem Posten zurücktrat. Danach war er bis zu seinem Tod von Partei und Armee - insbesondere auf Drängen des Reichswehrminister General von Blomberg - unter Quarantäne gestellt, bis er 1939 mit dem eher nachgeordneten Kommando der Armeeabteilung A an der deutschen Westgrenze reaktiviert wurde. Richtig lebhaft bis fesselnd wird es aber erst, wenn in diesem "kommentierenden Essay" - der bei aller dichterischen Freiheit kein Roman sein will - die sich im KPD-Milieu tummelnden, in Stalins Militärspionage eingespannten Töchter Hammersteins ihren Auftritt haben (Hammerstein oder Der Eigensinn. Eine deutsche Geschichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 2008, gebunden, 375 Seiten, Abbildungen, 22,90 Euro).

Papst Benedikt. Unser Papa Germanicus gilt als schwer gelehrtes Haus. Der Mann war schließlich deutscher Professor und unter seinem Vorgänger Johannes Paul II. oberster Glaubenswächter. Als Büchermensch läßt er sich in diesem Frühjahr eine stilvolle Bibliothek von Paschen zimmern. Der wegen seiner Zweifel an der Historizität der meisten überlieferten Worte Jesu heftig umstrittene Göttinger Kirchenhistoriker an der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Gerd Lüdemann, ist allerdings der Ansicht, daß damit nur die einschüchternde Kulisse von Gelehrsamkeit entsteht. Denn wie "Ratzingers Jesusbuch" belege, seien an Benedikt XVI. hundert Jahre "Leben-Jesu-Forschung" nahezu spurlos vorübergegangen. Das "kleine Einmaleins des historisch-kritischen Umgangs mit der Bibel", wie es vornehmlich in der protestantischen Kirchengeschichtsschreibung seit Mitte des 19. Jahrhunderts eingeübt wird, müsse dem Haupt der katholischen Christenheit wohl erst beigebracht werden. Eine Aufgabe, die Lüdemann freudig übernommen hat, und als mitunter etwas genüßlich-besserwisserische "Stimme der historisch-kritischen Vernunft im Bereich der Bibelauslegung" seziert er Seite für Seite "Das Jesusbild des Papstes" (Über Joseph Ratzingers kühnen Umgang mit den Quellen, Verlag zu Klampen, Springe 2007, gebunden, 158 Seiten, 9,95 Euro).

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