© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/08 22. Februar 2008 Meldungen Provinzielle Illusionen über globale Vernunft MAINZ. Für ein Spottgeld lassen sich seit langem Hekatomben von Büchern erwerben, die im untergegangenen Leseland DDR produziert wurden. Vor der letzten Station Papiermühle ergießen sich auch Tonnen von "engagierter" Literatur der Bonner Republik noch auf die Trödelmärkte, Typ "rororo aktuell" oder "edition suhrkamp". Man muß kein Prophet sein, um der seit 1990 entstandenen "Frieden durch Recht"-Literatur dasselbe Schicksal vorauszusagen. Gleichwohl lassen sich heute noch akademische Karrieren auf diesen Illusionen von gestern aufbauen, wie die Kasseler Antrittsvorlesung Michaels Böschs über "Globale Vernunft. Zum Kosmopolitismus der kantischen Vernunftkritik" vermuten läßt (Kantstudien, 4/07). In unüberbietbarer Wirklichkeitsferne rechnet Bösch mit einem offenbar metapolitisch gedachten "Forum der Weltöffentlichkeit", vor dem die "Dynamisierung des Völkerrechts" vorangetrieben werden solle. Der Königsberger Weltweise und seine Friedensschrift garantieren Bösch dafür, daß die Globalisierung auch eine "politische Perspektive" für die "Weltgesellschaft" eröffne, möge es mittelfristig auch noch zu "Umgehungen der konkreten Regeln des gegenwärtigen Völkerrechts" kommen. Auch dabei entstehende "Kriegsschäden", wie Bösch den Tod von 100.000 Irakern umschreibt, könnten um des hehren Endziels willen, der "zu etablierenden internationalen Rechtsordnung", verschmerzt werden.
Zum Thema Islam: Ein Literaturbericht SEELZE. Dem deutschen Studienrat, allen voran dem Geschichtslehrer, rückt das Thema "Islam" immer näher. Darum dürfte er für die orientierende Handreichung Bettina Gräfs und Ulrike Freitags im jüngsten Heft von Geschichte in Wissenschaft und Unterricht (1/08) dankbar sein. Gräf und Freitag fischen in ihrem Literarturbericht aus der ansteigenden Flut einschlägiger Titel das Brauchbarste heraus. Daß dabei bloße "Interventionsschriften" wie Dan Diners zionistischer Versuch über die "islamische Welt" ("Versiegelte Zeit", 2005) als "verquer" und der "komplexen Problemlage" sich nicht gewachsen zeigend gleich ausgemustert werden, zeugt von wissenschaftlicher Kompetenz. Daß diese nicht immer mit politischer Urteilkraft korrespondiert, belegt die Präferenz der Referentinnen für Studien, die optimistische Zukunftsszenarien für die nahöstliche Konfliktzone zwischen dem "Westen" und dem "Islam" offerieren. Vor allem aus dem "demographischen Wettlauf", den "der Zionismus" wohl verlieren werde, könne sich ein Druck zur "Versöhnung" zwischen Arabern und Juden ergeben - mit der Folge der Entstehung einer "pluralistischen Gesellschaft" in einem palästinensisch-jüdischen Staatsgebilde. |