© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/08 22. Februar 2008

Meldungen

DFG-Ausstellung: Im Geist der SED

BERLIN. Aus DDR-Zeiten überkommen, denkmalgeschützt in Marmor gemeißelt, prangt Marxens berühmte, Weltveränderung einfordernde Feuerbach-These in güldenen Lettern im Foyer der Humboldt-Universität. Irgendwie paßt der immer noch von Marx bestimmte Genius loci zu einer bis Ende Februar dort zu besichtigenden Ausstellung zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die unter dem Titel "Wissenschaft, Planung, Vertreibung - Der Generalplan Ost der Nationalsozialisten" dort "aufklären" soll. Die von Rüdiger vom Bruch (HU Berlin) und Ulrich Herbert (Freiburg) konzipierte Schau tradiert das zu Hochzeiten des Kalten Krieges von SED-Ideologen propagierte Zerrbild von der "willfährigen" deutschen "Ostforschung", das schon nach 1990 von Altmarxisten wie Götz Aly und Karl-Heinz Roth mit schönem Medienerfolg aufgefrischt wurde. Wie zu DDR-Zeiten führt auch bei vom Bruch und Herbert die "Kontinuität" von der deutschen Besetzung Russisch-Polens im Ersten Weltkrieg zu Himmlers "Generalplan Ost". Völliges Unverständnis bekunden die beiden altgedienten Geschichtspolitiker für die deutschen Historiker, Geographen und Völkerrechtler, die als Wissenschaftler dazu beigetragen hätten, den "Schmachfrieden" von Versailles zu bekämpfen.

 

Nicht nur Krimis: Brechts Bibliothek

BERLIN. Stets auf Frauenjagd, notorischer Kneipenhocker und als Exilant auch lange aus dem Koffer lebend - schwer vorstellbar, daß Bertolt Brecht viel Lesezeit erübrigen konnte. Hartnäckig hält sich daher das Gerücht, Brecht habe - wie George W. Bush - nur lesen lassen, Mitarbeiter hätten ihm Exzerpte angefertigt, er selbst habe höchstens in Krimis geschmökert. Alles üble Nachrede, wie Erdmut Wizisla nach ihrer Inspektion von "Brechts Bibliothek" darlegt (Sinn und Form, 6/07). Denn dem unsteten Leben zum Trotz: 4.200 Bücher hat Brecht anhäufen können. Für einen Autor seines Kalibers nicht viel. Aber auch nicht das ihm nachgesagte "Sammelsurium". Vornehmlich sind Weltliteratur, Geschichte, Politik, Philosophie, Naturwissenschaften vertreten, zahllose Notizen und Anstreichungen beweisen, daß Brecht darin tatsächlich las. Diese Marginalien, die zu "Brechts Lesebiographie" zählen, dokumentieren dabei auch Abweichungen vom weltrevolutionären Kurs. Gar "die Sprache verschlägt" es der braven Wizisla, als Brecht die Gedanken zur "Volkswohlfahrt", die Lenins Witwe 1933 drucken ließ, mit "S.A." kommentiert, also Rot gleich Braun setzt.

 

Erste Sätze:

Der Wind stöhnt und klagt über einer ungeheuren Ebene, deren Melancholie ins Grenzenlose verströmt.

Walter Görlitz: Russische Gestalten. Russische Geschichte in Einzelbildern, Heidelberg 1940.

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